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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
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Programmierers, wie der soeben und hier dieses Datum gesprochen habe, und in Wahrheit seien es nur Wind und Regen gewesen. Um dieser Kinder willen. Und…
      Plötzlich regte sich der Dozent. Er legte die Hand auf die Schulter seines Schülers. »Es ist gut«, sagte er, »ich habe Sie sehr genau verstanden. Es ist sehr gut, was Sie gemacht haben.« Er sah, wie Orlows Hirn und Lippen noch immer mit widerspenstigen Wörtern rangen, und ließ seine Hand auf der Schulter liegen. Dann nickte er dem Mann zu und schaltete das Videophon auf Konferenz.
    Die Errettung der Amorkinder durch einen Vokoder, der Destillen, Röntgengeneratoren und dergleichen mit menschlicher Stimme reden ließ, die Geschichte von der Überlistung eines spleenigen OTA und wie er zur Räson hatte gebracht werden können, war eine der hundert Erzählungen, die lange Zeit ihre Zuhörer fand. Technik durch Technik besiegt – Technik überwunden durch eine Idee. Stoff zum Reden.
      Auch Judy Bean erfuhr von der alten Geschichte. Eines Tages sagte sie zu Giron, als sie beim Essen neben ihn zu sitzen kam: »Diese Vokoderaffäre auf Amor wäre etwas für Boris gewesen. Diesen Orlow stelle ich mir genauso vor wie unseren Boris. Und die merkwürdige Übereinstimmung der Namen!«
      Seine Gabel hielt inne in ihrem Auf und Ab über dem Tablett. Dann lachte Giron. »Du weißt das nicht, Judy? So was ist möglich?« fragte er. »Boris Orlow ist der Sohn dieses Vokodermanns. Er war eins der Kinder, die sich damals auf Amor aufhielten, um ihre Wirbelsäule zu kurieren.«
      Judy vergaß einen Moment zu kauen. »Boris war damals acht oder zehn Jahre alt«, fuhr Giron fort, »er hatte zwei Jahre zuvor seine Mutter verloren. Der Vater war ihm nun Mutter und Vater zugleich, er liebte seinen Sohn abgöttisch. Es war ganz folgerichtig, daß er auf diese Idee kam. Der Vokoder mußte ihm einfach einfallen, der Mann stand unter Zugzwang, denn als Vater war er hinreichend engagiert. Nun, die beiden sollen einander wirklich sehr ähnlich sein. Und wenn man nachdenkt, ist kaum etwas daran, über das man sich wundern müßte.«

    30.

      Ana erzählte auf ihre eigenwillige, hin und her hüpfende Art jedem, dessen sie habhaft wurde, von den großartigen Dingen, die sie gesehen hatte. Die Nachrichten riefen in den verschiedenen Köpfen sehr unterschiedliche Reflexionen hervor. Zwar sah man Spiel und Widerspiel gegeneinanderlaufender Interessen und Antriebe ohnehin als eine Norm im Umgang miteinander an, doch jetzt gewann diese Partie pralle Gegenwärtigkeit und scharfe Umrisse, und das so plötzlich, wie der Strahl eines Scheinwerfers einen vertrauten Schatten aus dem Dunkel reißt und ihn als etwas Gewalttätiges entlarvt. Es war eine Frage des Maßes. Was sich da tat, lief jählings auf etwas Unangemessenes hinaus: auf Unausweichlichkeit und Konfrontation.
      Man tauschte Ansichten und Wertungen aus, aber unter der deformierenden Wirkung erregten Gemüts, sporadisch, wie es die Gelegenheit ergab, nicht gründlich genug und nicht aufrichtig genug, es gab mehr Barrieren zwischen den Leuten und weniger Besonnenheit und Gleichsinn der Motive, als die Kalkulatoren einstmals in Form von Kennziffern für kollektive Klugheit in ihre Rechnungen einbezogen hatten.
      Zur selben Zeit, während Jermakow erwog, seine Auffassung über die Potenzen dieser fremden Welt zu korrigieren, mit gequältem Gewissen, den Blick auf die BECKMESSER-Uhr und auf den Countdown der BEAGLE gerichtet, äußerte Orlow jene fünf oder sechs Meter von der Messe entfernt etwas ganz anderes. Auf eine schnoddrig hingeworfene Bemerkung Rahels, immerfort müsse man rennen und um sich beißen, nur um den Standort zu halten, antwortete Orlow, er errechne die anstehende Aggression mit einer Wahrscheinlichkeit von null Komma null zwei.
      »Was für ’ne knallharte Zahl«, sagte Rahel, »mir wird übel. Mon Dieu! Vertrauen, Ermutigung und Zuversicht aus der Spraydose.«

    Es wäre die Zeit der eindrucksvollen rotgrünen Abendszenen gewesen, des großartigen Einzugs der Schatten und der Nacht, hätte der Nebel dies nicht alles verborgen. Jetzt aber maß man nüchtern und zählte nach dem Stand des Countdown der BEAGLE die dreiundsiebzigste Stunde.
      Ana betrat die Messe so forsch, als hätte sie sich ein Herz fassen müssen, hielt aber schon unter dem Rollo mitten im Schritt inne, ein Bein noch erhoben wie ein verschrecktes Tier, als sie das Innere des Raumes erblickte. »Aber Andrej«, sagte sie eher

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