Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)
klingt wie das Knacken von Knochen.
Sullivan schreckt aus dem Schlaf auf.
Es liegt eine Atmosphäre des Schocks in der Luft, als hätte gerade jemand aufgeschrien. Doch er ist hier ganz allein, und der Gedanke, dass er zu den Menschen gehört, die nachts im Schlaf aufschreien, behagt ihm nicht.
Ihm ist heiß, sein Körper ist schweißgebadet, sein Herz pocht ihm heftig in der Brust. Er bleibt eine Weile so liegen.
Du hast nicht geschrien.
Doch er weiß, vermutlich hat er es doch getan.
Sieben Monate sind vergangen, seit Charlotte verschwunden ist, vier seit Pearsons Selbstmord. Und zwei Monate, seit er sich von seiner Frau getrennt hat und in dieses kleine Reihenhaus gezogen ist. An der Außenseite ist die rote Klinkerfassade stellenweise zu Schwarz nachgedunkelt, innen ist das Haus sogar noch trostloser. Er hat es voll möbliert gekauft. Die meisten Abende verbringt er auf dem verstaubten Sofa und trinkt, bevor er in den Nächten schreckliche Dinge träumt.
Er ist nicht mehr Detective Sergeant. Er ist überhaupt so gut wie nichts mehr.
Nur dass er in dieser Zeit zu der Sorte Mann geworden ist, die nachts im Schlaf schreit. Sein Benehmen ist unberechenbar geworden, für seine Mitmenschen ist er ein Sonderling. Hygiene legt er sehr großzügig aus; er wäscht sich bestenfalls alle drei Tage und nie gezielt, bevor er das Haus verlässt. Wenn er schon einmal zu einem Spaziergang hinausgeht, dann wandert er planlos auf Landstraßen und Wegen, gelegentlich auch durch die Straßen von Thornley. Er versucht zu denken. Doch seine Gedanken sind so ungeordnet und zusammenhanglos, dass der Versuch, einen Sinn hineinzubringen, der Illusion gleichkommt, auf eine wild durcheinanderlaufende Menschenmenge hinunterzublicken und sie mit schierer Willenskraft dazu zu bringen, sich in einer geraden Reihe aufzustellen.
Heute nimmt er eine Dusche, das heißt, was bei ihm zu Hause einer Dusche am nächsten kommt. Eine Dusche hat er nicht, nur eine Art Stethoskop aus weißen Plastikschläuchen, von denen zwei Enden über die Wasserhähne gespannt sind und die andere Seite in einer Art primitivem Brausekopf endet, den er sich, während er in der Wanne sitzt, über den Kopf hält. Das Wasser ist immer zu kalt; Baden stellt eine Geduldsprobe dar. Als er mit gebeugtem Kopf so dasitzt und unter dem kalten, kümmerlichen Wasserstrahl zittert, redet er sich ein, nur aus diesem Grund würde er sich nicht mehr regelmäßig waschen; eine viel zu aufwendige, entwürdigende Prozedur. In Wahrheit ist es ihm einfach egal.
Sullivan dreht nacheinander die Hähne zu und bekommt einen noch kälteren Strahl auf die Zehen. Als er sich vor dem kleinen Spiegelschrank abtrocknet, registriert er, dass sein Körper im gleichen Maße wie sein Geist verfällt. Die Monate erscheinen ihm eher wie Jahre. Er ist hager und trinkt zu viel. Das Ergebnis sieht er eindeutig im Spiegel. Der Alkohol zehrt ihn aus, so dass er sich beinahe schmerzlich seiner inneren Organe bewusst wird. Es kommt ihm so vor, als reduzierte sich sein Körper zur Vorbereitung auf eine lange Zeit des Schlafs oder etwas Schlimmeres. Als reinigte er sich vor einer schweren Probe.
Unten im Wohnzimmer knirscht der Teppichboden unter seinen Zehen vor Sand; der Staub hängt in der Luft, das ganze Haus steht still. Er kann sich gut vorstellen, wie es an den eigenen Grundfesten nagt – genau wie sein eigener Körper, angefangen mit den Eingeweiden. Jeden Abend hat er das Gefühl, als hinge die Decke ein wenig tiefer und versuche, ihn irgendwann restlos unter sich zu zerquetschen, ohne dass es jemand merkt.
Er macht sich einen Kaffee, setzt sich dann an einen Tisch am Wohnzimmerfenster und späht vorsichtig durch die Gardinen hinaus. Dazu zieht er sie nur zu einem winzigen Spalt zurück, um auf der Straße draußen keine Aufmerksamkeit zu erregen.
So verbringt er einen großen Teil seiner Zeit. Er behält die Leute da draußen im Auge und beobachtet die Autos. Ständig rechnet er damit, dass irgendwo ein rostiger roter Lieferwagen steht oder langsam die Straße entlangfährt, doch nie ist einer zu sehen. Er ist nur deshalb nie zu sehen, weil er nie im richtigen Moment auf der Lauer liegt, um ihn zu entdecken.
Sullivan denkt unablässig an Charlotte.
Es ist ihm ins Gedächtnis eingebrannt, wie verängstigt sie war, als er sie an jenem Tag dort auf der Promenade fand, und wie er sich in den Tagen danach bemühte, mit Freundlichkeit ihr Zutrauen zu erringen, wie er ihr versprach, sie zu
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