Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)
beschützen. Wie er ihr einen Hoffnungsschimmer gegeben und dann vollkommen versagt hat. Sie hätte ihm nie vertrauen sollen, dann wäre ihr die Enttäuschung erspart geblieben.
Und es kommt noch schlimmer: Die Pflegestelle von Mrs. Fitzgerald wurde nie offiziell als solche geführt, und so gibt es nur eine einzige Erklärung, wie Charlottes Familie sie gefunden haben kann. So umsichtig er auch gewesen ist, müssen sie ihm doch bei einem seiner abendlichen Besuche gefolgt sein. Er hat sie zu ihr geführt. Und während er anderweitig beschäftigt war, haben sie sich Charlotte geholt.
Das ist der einzige Gedanke, den er fassen kann. Das einzig Tröstliche daran ist die Möglichkeit, dass sie ihm, nachdem sie ihm einmal gefolgt sind, vielleicht auch jetzt noch folgen. Vielleicht sind sie in dieser Hinsicht ein bisschen wie Clark Poole, weshalb er nach wie vor nach ihnen Ausschau hält.
Weshalb er die Gardinen jetzt einen winzigen Spalt weiter öffnet.
Der Lieferwagen ist nicht da.
Später fährt er nach Thornley.
Es ist kleiner als Faverton und weiter weg, doch Sullivan macht seine Einkäufe lieber da. Dort gibt es keine vertrauten Gesichter, er läuft nicht so leicht Gefahr, jemandem zu begegnen und sich mit jemandem krampfhaft unterhalten zu müssen, an dem er kein Interesse hat. Hier kennt ihn kein Mensch. Niemand fragt sich, wenn er ihn sieht, wie er in der Rangordnung gesellschaftlichen Ansehens so tief fallen konnte.
Es ist ein gewöhnlicher Tag, der keine besonderen Vorkommnisse verspricht. Regen sprenkelt den Asphalt, und die Luft riecht nach der See. Er hievt Beutel mit Lebensmitteln und Flaschen in den Kofferraum; wegen des Gewichts schneiden ihm die Tragegriffe unangenehm in die Finger und schnüren ihm das Blut ab. Hinter sich hört er die Einkaufswagen über den Steinboden rasseln und scheppern. Sullivan sieht sich um. Den Parkplatz teilt sich das ganze Einkaufszentrum von Thornley – ein kleiner Supermarkt, eine Autowerkstatt, ein Heimwerkermarkt.
Eine schwere Tüte halb auf den geöffneten Kofferraum gestützt, halb in der Hand, bleibt Sullivan reglos stehen.
Der Lieferwagen ist alt, verrostet und rot – Farbe und Textur erinnern an getrocknetes Blut. Er parkt mit dem Kühler zum Heimwerkermarkt, so dass er sich fast in die Regale und Eimer schiebt, die draußen aufgereiht sind. Von hier aus kann Sullivan nur so eben erkennen, dass die Fahrerkabine leer ist.
Ohne den Lieferwagen aus den Augen zu lassen, verstaut er seine Tüte. Sie steht schief, so dass der Inhalt sich zur Seite neigt. Rote Kleintransporter sind nichts Besonderes, denkt er. Und doch bleibt er, nachdem er alles eingepackt hat, in seinem Wagen sitzen und beobachtet weiter das Fahrzeug.
Der Regen prasselt heftiger an die Windschutzscheibe.
Wenige Minuten später öffnet sich die Tür des Heimwerkermarkts, und ein Mann kommt heraus. Unwillkürlich lehnt sich Sullivan übers Lenkrad. Der Mann hat ein verwittertes, kerniges Gesicht, als verbrächte er viel Zeit im Freien. Er trägt keine Jacke, seine Hemdsärmel sind aufgekrempelt, seine Unterarme kräftig wie ein Bündel Taue. Sein Haar ist dunkel, doch leicht angegraut, mittellang und sofort vom Wind zerzaust. Das Gesicht, das es rahmt, ist gebräunt und ausdruckslos. Er hält eine große, braune Einkaufstüte in den Armen; Sullivan kann nicht sehen, was sich darin befindet.
Hinter ihm kommt ein kleiner Junge aus dem Laden.
Sullivan beobachtet die beiden, sein Herz schlägt merklich schneller.
Doch einen Moment später geht die Ladentür zu. Jetzt sind nur noch die beiden da – Vater und Sohn. Als sie einsteigen, lehnt sich Sullivan wieder zurück. Er möchte sich einreden, es sei nichts; er redet es sich ein. Der Mann, den er gerade gesehen hat, ist ganz anders als der Schweinemann aus seinen schrecklichen Träumen.
Andererseits, wieso auch nicht?
Sowie der andere Wagen aus der Parklücke zurücksetzt und in großem Bogen zum Ausgang fährt, trifft Sullivan eine Entscheidung. Was ist schon schlimm daran? Ihm einfach zu folgen, auch wenn er am Ende seine Zeit vergeudet hat? Letztlich hat er in den vergangenen Monaten nichts anderes getan.
Er wirft den Motor an, und die Scheibenwischer quietschen auf dem nassen Glas.
Nein, es nicht zu wissen, wäre viel schlimmer – an seinem Tisch zu sitzen, durch die Gardinen auf die leere Straße zu starren und sich endlos zu fragen: Und wenn nun doch?
Er folgt dem Wagen vorsichtig und hält genau den Abstand ein, in dem
Weitere Kostenlose Bücher