Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)
verband.
Ich hob den Kopf und stellte fest, dass sich die Kabel über die Bäume spannten. In der anderen Richtung fanden sie in weiter Ferne einen zweiten und dann einen dritten Mast am Horizont. Sie unterstrichen nur die endlose Weite der hiesigen Gegend. Ich fühlte mich klein und isoliert: außer Sichtweite der realen Welt und außerhalb ihrer Sicherheit.
Und genau das ist ja wohl auch der Fall.
Vielleicht. Doch ich konnte nicht warten, bis Hannah Price kam. Nicht, falls Ally in diesem Moment hier unten war. Nicht, wenn ihr Gott weiß was zustoßen konnte und dieses Gott-weiß-was meine Schuld war.
Ich hielt mich dicht an den Bäumen. Nachdem ich den Mast hinter mir gelassen hatte, beschränkten sich die einzigen realen Laute auf das gelegentliche Knacken eines Ästchens unter meinen Schuhen. Die Bäume rechts waren hoch und gerade. Trotz ihrer schieren Zahl wirkten sie irgendwie tot. Ich konnte nirgends Blätter sehen, und die wenigen Äste waren brüchig und dünn, als wäre hier jemand entlanggelaufen und hätte, um Brennholz daraus zu machen, systematisch alles Laub sowie alle überflüssigen Zweige abgestreift und auf dem Boden liegen gelassen. Selbst in der einsetzenden Dunkelheit konnte ich erkennen, dass sie im Unterholz zwischen den Baumstämmen eine dichte Decke bildeten.
Gelegentlich hatte ich das Gefühl, dass sich seitlich von mir etwas bewegte, als ob im Schutz der Bäume jemand parallel zu mir mitlief. Doch jedes Mal, wenn ich mich umwandte und hinsah, war nichts zu erkennen.
Nur Schatten, die mich noch nervöser machten.
Geradeaus vor mir führte der Weg über einen Buckel im Gelände. Als ich ihn erreichte, blickte ich zurück. Ich sah die Mauer, doch sie war inzwischen verdammt weit weg. Die endlosen Wiesen zitterten dämmrig grau im Abendwind. Auf allen Seiten schien die Nacht aus der Erde an die Oberfläche zu quellen und die Umgebung wie schwarze Tinte, die langsam ein Löschblatt durchtränkt, immer dunkler zu färben.
Ich lief über die Anhöhe und dann weiter geradeaus. Auf der anderen Seite bot sich mir das gleiche Bild, und es sah so aus, als gebe es hier meilenweit keine Menschenseele. Doch das trog; dieser Weg führte mit Sicherheit irgendwohin.
Ein Stückchen weiter fand ich es heraus.
Das Erste, was ich bemerkte, war die Ecke des Zauns. Tatsächlich wäre ich, so dunkel, wie es inzwischen war, fast hineingelaufen: ein rostiger Metallpfosten, der am Waldrand mindestens drei Meter fünfzig hoch aus dem Boden ragte. Daran war Maschendraht gespannt, der sowohl den Weg entlang als auch im rechten Winkel dazu bis in den Wald hineinreichte.
Jemand hatte einen Teil der Bäume abgesperrt.
Ich trat näher an die Ecke des Zauns heran, um einen besseren Überblick zu bekommen, als etwas unter meinen Füßen knirschte – ein anderes Geräusch und Gefühl als die Zweige. Ich trat zurück und senkte den Blick.
Dann rührte ich mich nicht.
Ein toter Vogel, besser gesagt, die Reste eines Kadavers: nur ein paar schmutzige Federbüschel, die noch an den zerbrochenen Knochen hingen.
Ich sah mich um und entdeckte einen zweiten.
Dann einen dritten.
Und noch etwas. Am unteren Rand des Zauns, vielleicht zehn Zentimeter über dem Boden, führte ein dünner Draht entlang. Der Draht war mit großen Krokodilklemmen aus Metall jeweils im Abstand von einem Meter befestigt.
Ein elektrischer Zaun.
Wieso setzte jemand seinen Zaun unter Strom? Ich sah mir die Vögel noch einmal an. Diente er dazu, Tiere abzuhalten oder Menschen am Betreten zu hindern?
Oder diente er etwa dazu, etwas drinnen zu halten?
Ich horchte angestrengt.
Irgendwo mitten aus dem Wald, auf der anderen Seite des Zauns, hörte ich jetzt ein Geräusch. Es war weit weg, nur so eben auszumachen. Ein leises Tuckern. Das Geräusch einer Maschine, die vor sich hin brummt. Vermutlich ein Generator.
Um einiges nervöser, suchte ich die Wiese ab, doch die Dunkelheit setzte jetzt so rasch ein, dass ich in der Ferne nur mit Mühe etwas erkennen konnte. Es schien sich da draußen jedenfalls nichts zu bewegen. Ich hörte keinen Laut außer dem Generator und dem Hauch einer Brise.
Ich lief den Weg ein wenig weiter.
Was ist das für ein Gehöft?
Ich brauchte nicht weit zu laufen, um es herauszufinden. Ein kleines Stück weiter lichteten sich die Bäume, und ich gelangte an eine breite Lücke im Zaun. Die tiefen Reifenspuren schwenkten hier aus, bevor sie wieder nach innen führten, als stammten sie von einem Fahrzeug, das wegen seiner
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