Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)
Kleckse. Landeinwärts ging am fernen Horizont im abendlichen Dunst, der aus den Wiesen aufstieg, bereits die Sonne unter.
Die Stadt Whitkirk war an einem sanften Hang rings um die Bucht über die Jahre zusammengewachsen und erinnerte mit ihren willkürlich zusammengewürfelten Häusern an einen Unterkiefer mit schlechten, schiefen Zähnen. Noch bevor die Straße zur Küste hin abfiel, sah ich den ganzen Ort mit seiner dichten, verschlungenen Ansammlung von Backsteinhäusern, den verschieden geneigten Dächern und kopfsteingepflasterten Straßen. An der gegenüberliegenden Klippe reckte sich die Turmspitze der Abteikirche kohlschwarz in den Himmel.
Also hier. Nach allem, was ich gelesen hatte, handelte es sich um die Stadt, in der Teile von Robert Wisemans Die schwarze Blume spielten, und als ich jetzt durch diese Straßen fuhr, erschien es mir wie eine seltsame Mischung aus Wirklichkeit und Fiktion – ich war schon einmal hier gewesen, wenn auch nur in der Phantasie. In der realen Welt war es der Austragungsort des Carnegie-Krimi-Festivals und der Ort, an dem Wiseman wie mein Vater endete. Zwei Schriftsteller, die beide im Hotel Southerton abgestiegen waren, beide dieselben Ereignisse recherchiert hatten. Beide tot.
In diesem Sinne war ich nicht Autor, doch jetzt kam auch ich hierher.
Der schnellste Weg zum Hotel führte die Küste entlang. Links von mir sah ich eine Holzpromenade, und nach der Lektüre von Die schwarze Blume stellte ich die Verbindung her. Ohne das Buch jedoch wäre Whitkirk eine unter vielen Küstenstädten gewesen. Ich kam an hellrosa und gelb gestrichenen Cafés, Bars und Hotels vorbei, die mir allesamt vage Sommerurlaube an ganz anderen Orten ins Gedächtnis riefen. Es gab die üblichen dunklen Spielhöllen mit Gruppen von Jugendlichen, die sich im Dämmerlicht über die Automaten beugten. Die Geräusche drangen nach draußen: das gelegentliche Klimpern von Geld, die enttäuschten Laute nach einem Fehlschlag. Auf dem Bürgersteig gaben Spielzeugflugzeuge und -züge, in die sich kleine Kinder setzten, heulende und schlingernde Geräusche von sich.
Das Southerton war, als ich es erreichte, nicht zu übersehen. Ein altmodischer, fünfstöckiger Bau aus mächtigen Redstone-Blöcken und in auffälligem Kontrast zu den kleineren Pensionen, an denen ich schon vorbeigekommen war, mit den üppigen Schmuckelementen viel prächtiger. Eine breite Treppe führte zum Eingang mit gewölbter Glasüberdachung, mit Rollstuhlrampen links und rechts. Der Name des Hotels stand in verschnörkelten Lettern, die mich an die Pariser Métro erinnerten, auf der gläsernen Kuppel. Ich musste an geheimnisvolle Katzen denken und an Amélie.
Die Abzweigung auf den Parkplatz lag direkt hinter dem Gebäude. Ich fuhr auf ein asphaltiertes Gelände. Fast leer, was mir gelegen kam, da ich zwei Stellplätze brauchen würde.
Ich hielt an und schaute auf mein Handy. Noch nichts von Barbara Phillips. Ich steckte es wieder in die Tasche.
Vom Parkplatz aus gab es keinen Zugang zum Hotel, und so ging ich wieder zur Frontseite herum. Die Flügeltür an der obersten Stufe glitt automatisch zur Seite, dazu ertönte dezente klassische Musik.
Ich trat ein.
Im Gegensatz zum altmodischen Äußeren des Baus war die prächtige Ausstattung in der Lobby mit Plasma-Fernsehern und einladenden Plüschsofas modern gehalten. Der Boden bestand aus schwarzem Marmor und war so blank poliert, dass ich mich darin spiegelte. Die ganze Halle war kaum merklich in unterschiedliche Ebenen aufgeteilt, was an ein luxuriöses Schwimmbad erinnerte, aus dessen Becken man das Wasser abgelassen hatte. Überall standen Pflanzen, schwere schwarze Ledersofas waren um gläserne Couchtische gruppiert. Mit einer Ausnahme waren alle von Geschäftsleuten in Anzug und Krawatte besetzt, die über ihre Laptops kommunizierten, mit ihren Handys verkabelt waren und aus winzigen schaumgekrönten Kaffeetassen mit Henkeln so zart wie Ringe tranken. In einer Ecke rieselte und plätscherte ein Zimmerbrunnen.
Piekfein, Dad.
Der Empfang befand sich ein wenig seitlich und war nahtlos aus demselben schwarzen Marmor gestaltet wie der Boden, mit großen runden Wanduhren an der Rückseite, auf denen die jeweilige Zeit in London, Paris, Sydney, Tokio und New York abzulesen war. Der Mann und die Frau, die dort ihren Dienst versahen, trugen Anzug und Kostüm in elegantem Grau; der Mann war, als ich herantrat, gerade am Telefon und machte sich eine Notiz. Die Frau lächelte mir
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