Schwarze Engel

Polizeipräsident habe sich am Vorabend mit Tuggins und anderen geistlichen Führern aus South Central getroffen, um ein Zeichen zu setzen und sie aufzufordern, beim Morgengottesdienst von der Kanzel zu Mäßigung und Zurückhaltung aufzurufen.
    »Wir sitzen auf einem Pulverfaß, Leute«, sagte Irving. »Und die beste Möglichkeit, die Situation zu entschärfen, ist, diesen Fall zu lösen … und zwar schnell.«
    Während der Deputy Chief sprach, holte Bosch den Nachrichtenblock aus der Tasche und schrieb etwas darauf. Dann vergewisserte er sich, daß aller Augen auf Irving gerichtet waren, und riß lautlos das oberste Blatt ab. Er befestigte es an der Anschlagtafel und rückte dann unauffällig Zentimeter für Zentimeter von der Tafel ab. Auf dem Zettel, den er daran geheftet hatte, stand Chastains Name. Im Raum für die Nachricht stand: »Harvey Button hat angerufen, sich für den Tip bedankt. Ruft später noch mal an.«
    Irving beendete seine Ausführungen mit einem Hinweis auf die Meldung in Channel 4.
    »Irgend jemand in diesem Raum hat gestern einem Fernsehreporter Informationen zugespielt. Ich warne Sie hiermit, daß wir das nicht dulden. Diese eine Sache wollen wir Ihnen noch einmal durchgehen lassen. Aber noch ein solcher Vorfall, und Sie sind diejenigen, gegen die ermittelt wird.«
    Um sich zu vergewissern, daß in dem Punkt Klarheit herrschte, ließ er den Blick über die Gesichter der LAPD-Detectives wandern.
    »Okay, das wär’s«, erklärte er schließlich. »Dann will ich Sie nicht mehr länger aufhalten. Detective Bosch, Agent Lindell? Ich würde mittags gern über unsere Fortschritte informiert werden.«
    »Kein Problem, Chief«, sagte Lindell, bevor Bosch antworten konnte. »Ich werde mich bis dahin bei Ihnen melden.«
    Fünfzehn Minuten später ging Bosch wieder den Gang zum Aufzug hinunter. Edgar und Rider folgten ihm.
    »Wo willst du hin, Harry?« fragte Edgar.
    »Wir operieren von der Hollywood Station aus.«
    »Was? Und was sollen wir da? Wer schmeißt hier den Laden?«
    »Lindell. Ich habe eine Abmachung mit ihm getroffen. Er schmeißt hier den Laden. Wir machen was anderes.«
    »Das soll mir nur recht sein«, sagte Edgar. »Hier sind für meinen Geschmack sowieso zu viele Agenten und hohe Tiere.«
    Bosch erreichte den Lift und drückte auf den Rufknopf.
    »Und was genau machen wir, Harry?« wollte Rider wissen.
    Er drehte sich um und sah sie an.
    »Noch mal von vorn anfangen.«

22
    D er Bereitschaftsraum war völlig leer, was selbst für einen Sonntag ungewöhnlich war. Infolge der Zwölfstundenschichten hatten alle Detectives, die keine dringenden Ermittlungen zugeteilt bekommen hatten, in Uniform auf der Straße Dienst zu tun. Das letzte Mal war eine solche Maßnahme nach dem großen Erdbeben von 1994 in Kraft getreten. Die Ermordung Elias’ war eher eine soziale als eine geologische Erschütterung, aber die Größenordnung war in etwa die gleiche.
    Bosch trug die Schachtel mit Elias’ Unterlagen zum Black-Warrior-Fall zu einem sogenannten ›Mordkommissionstisch‹, bei dem es sich um mehrere zu einer Art riesigem Konferenztisch aneinandergeschobene Schreibtische handelte. Der Teil, der Team One, Boschs Team, gehörte, befand sich am hinteren Ende, neben einer Nische voller Aktenschränke. Bosch stellte die Schachtel dahin, wo die drei Schreibtische seines Teams zusammenstießen.
    »Mach dich da mal drüber her«, sagte er.
    »Harry …« Rider war nicht glücklich über seine vagen Anweisungen.
    »Okay, hör zu, ich will folgendes. Kiz, du übernimmst hier das Kommando. Jerry und ich machen Außendienst.«
    Rider stöhnte. Das Kommando übernehmen bedeutete, daß sie für die Fakten zuständig war. Ihre Aufgabe bestand darin, sich mit allen Einzelheiten in den Akten vertraut zu machen, ein wandelndes Kompendium aller in Zusammenhang mit den Ermittlungen stehenden Details. Da sie mit einem ganzen Karton voller Unterlagen begannen, bedeutete das eine Menge Arbeit. Es hieß auch, sie würde, wenn überhaupt, nicht dazu kommen, allzu viele Außendienstermittlungen anzustellen. Und kein Detective saß gern den ganzen Tag in einem fensterlosen und leeren Büro.
    »Ich weiß«, sagte Bosch. »Aber ich glaube, du kannst so etwas einfach am besten. Wir haben hier massenhaft Material – und wer wäre besser geeignet, es zu verarbeiten, als du mit deinem Superhirn und deinem Computer?«
    »Nächstes Mal kriege aber ich den Außendienst.«
    »Vielleicht gibt es gar kein nächstes Mal, wenn wir