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Schwarze Engel

Schwarze Engel

Titel: Schwarze Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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es ziemlich eilig, als ich das schrieb.«
    Bosch spürte, wie etwas von ihm abfiel. In diesem Moment wußte er, es würde keinen Kampf, keine Schwierigkeiten geben. Diese Frau hatte auf diesen Moment gewartet. Vielleicht hatte sie gewußt, daß er kam. Vielleicht hatte sie deshalb gesagt, sie fühle sich besser als seit langer, langer Zeit.
    »Ich verstehe«, sagte Bosch. »Möchten Sie mit mir darüber sprechen, Mrs. Kincaid? Über alles?«
    »Ja«, sagte sie, »das möchte ich.«
     
    Bosch legte eine frische Batterie in das Tonbandgerät ein, dann machte er es an und stellte es auf den Couchtisch, das Mikrophon senkrecht nach oben gerichtet, damit es sowohl seine Stimme als auch die von Kate Kincaid aufzeichnete.
    »Sind Sie soweit?« fragte er.
    »Ja«, sagte sie.
    Darauf wies er sich aus und sagte, wer sie war, nannte Datum, Zeitpunkt und Ort des Gesprächs. Den Hinweis auf ihre staatsbürgerlichen Rechte las er von einem Vordruck ab, den er aus seinem Aktenkoffer genommen hatte.
    »Sind Sie sich über Ihre Rechte, wie ich sie Ihnen gerade vorgelesen habe, im klaren?«
    »Ja, das bin ich.«
    »Möchten Sie mit mir sprechen, Mrs. Kincaid, oder möchten Sie sich mit einem Anwalt in Verbindung setzen?«
    »Nein.«
    »Was nein?«
    »Keinen Anwalt. Ein Anwalt kann mir nicht helfen. Ich möchte reden.«
    Das ließ Bosch stutzen. Er überlegte, wie er am besten verhinderte, daß ein Haar in die Suppe kam.
    »Nun, ich kann Ihnen in rechtlichen Dingen keinen Rat erteilen. Aber wenn Sie sagen, ›Ein Anwalt kann mir nicht helfen‹, bin ich nicht sicher, ob das einer Verzichterklärung gleichkommt. Wissen Sie, was ich meine? Es besteht nämlich immer die Möglichkeit, daß ein Anwalt –«
    »Detective Bosch, ich will keinen Anwalt. Ich bin mir sehr wohl über meine Rechte im klaren, und ich will keinen Anwalt.«
    »Okay, dann muß ich Sie bitten, dieses Formular hier unten zu unterschreiben, und dann noch einmal an der Stelle, wo es heißt, Sie möchten keinen Anwalt.«
    Er legte das Formular auf den Couchtisch und sah zu, wie sie es unterschrieb. Dann nahm er es wieder an sich und vergewisserte sich, daß sie mit ihrem eigenen Namen unterschrieben hatte. Danach unterzeichnete er es selbst als Zeuge und steckte es in eins der Fächer des Ziehharmonikaordners in seinem Aktenkoffer. Er setzte sich zurück und sah sie an. Einen Moment überlegte er, ob er auf das Thema Ehegattenverzichterklärung zu sprechen kommen sollte, entschied aber, das konnte bis später warten. Darum sollte sich die Staatsanwaltschaft kümmern – wenn und falls es erforderlich wurde.
    »Das hätten wir also«, sagte er. »Möchten Sie selbst anfangen, Mrs. Kincaid, oder möchten Sie, daß ich Ihnen Fragen stelle?«
    Er flocht absichtlich so oft ihren Namen ein – damit für den Fall, daß das Band einmal vor Gericht abgespielt wurde, keine Mißverständnisse aufkamen, wem die Stimmen gehörten.
    »Mein Mann hat meine Tochter umgebracht. Das wollen Sie vermutlich als erstes wissen. Deshalb sind Sie doch hier.«
    Einen Moment erstarrte Bosch, dann nickte er langsam.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Er sagte, es war ein Versehen – aber man erwürgt niemanden aus Versehen. Er sagte, sie hätte ihm gedroht, ihren Freundinnen alles zu erzählen, was er … was er und seine Freunde mit ihr machten. Er sagte, er hätte sie davon abzubringen versucht, er wollte es ihr ausreden. Er sagte, die Situation wäre außer Kontrolle geraten.«
    »Das ist wo passiert?«
    »Hier. In diesem Haus.«
    »Wann?«
    Sie nannte das Datum der Entführung ihrer Tochter. Sie schien zu verstehen, daß Bosch eine Reihe von Fragen stellen mußte, deren Antworten auf der Hand lagen. Er erstellte ein Protokoll.
    »Ihr Mann hat Stacey sexuell mißbraucht?«
    »Ja.«
    »Gab er das Ihnen gegenüber zu?«
    »Ja.«
    An diesem Punkt begann sie zu weinen und öffnete ihre Handtasche, um nach einem Taschentuch zu suchen. Bosch ließ sie eine Minute in Ruhe. Er fragte sich, ob sie vor Kummer oder Schuldgefühlen weinte oder vor Erleichterung, endlich alles erzählen zu können. Er nahm an, es war eine Mischung aus allen drei Dingen.
    »Über welchen Zeitraum hinweg wurde sie mißbraucht?« fragte er schließlich.
    Kate Kincaid ließ das Taschentuch in ihren Schoß fallen.
    »Das weiß ich nicht. Wir waren fünf Jahre verheiratet, bevor … bevor sie starb. Ich weiß nicht, wann es losging.«
    »Wann haben Sie es gemerkt?«
    »Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich diese Frage lieber

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