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Schwarze Engel

Schwarze Engel

Titel: Schwarze Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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hätte sein sollen. Eigentlich sollte ich beim Mittagessen sein. Mit meinen Freundinnen aus dem Club. Mountaingate. Nur hatte ich aufgehört, mit meinen Freundinnen zum Mittagessen zu gehen, nachdem Stacey … Na ja, Sie können sich vielleicht denken, daß mich Mittagessen und solche Dinge nicht mehr interessierten. Deshalb erzählte ich meinem Mann zwar, ich ginge zum Mittagessen, aber in Wirklichkeit ging ich Stacey besuchen. Auf dem Friedhof …«
    »Okay. Ich verstehe.«
    »Nein, ich glaube nicht, daß Sie das verstehen können, Detective Bosch.«
    Bosch nickte.
    »Entschuldigung. Wahrscheinlich haben Sie recht. Erzählen Sie weiter, Mrs. Kincaid.«
    »An besagtem Tag regnete es. Genau wie heute, grau und trist. Deshalb blieb ich nur ein paar Minuten. Ich kam früh nach Hause zurück. Wegen des Regens hörten sie mich vermutlich nicht kommen. Aber ich hörte sie. Sie unterhielten sich in seinem Arbeitszimmer … Ich war ja immer noch argwöhnisch, deshalb ging ich auf die Tür zu. Ich machte kein Geräusch. Ich blieb an der Tür stehen und lauschte.«
    Bosch beugte sich vor. Jetzt kam der entscheidende Moment. Gleich hätte er Gewißheit, wie glaubwürdig sie war. Er bezweifelte, daß zwei Männer, die an der Ermordung einer Zwölfjährigen beteiligt waren, zusammensitzen und sich in den Erinnerungen an ihre Tat ergehen würden. Wenn Kate Kincaid behauptete, das sei der Fall gewesen, mußte er davon ausgehen, daß sie log.
    »Was sagten sie?«
    »Sie unterhielten sich nicht in ganzen Sätzen. Verstehen Sie? Sie gaben nur kurze Kommentare ab. Mir wurde rasch klar, daß sie über Mädchen sprachen. Über mehrere Mädchen – was sie sagten, war widerlich. Ich hatte keine Ahnung, wie gut organisiert das Ganze war. Ich hatte mich in der Illusion gewiegt, daß es sich, falls mit Stacey etwas passiert war, um eine Schwäche seinerseits gehandelt hatte, etwas, das ihm schwer zu schaffen machte. Weit gefehlt. Diese Männer waren hervorragend organisierte Menschenjäger.«
    »Sie lauschten also an der Tür …«, sagte Bosch, um sie wieder zum Ausgangspunkt zurückzulotsen.
    »Sie sprachen nicht miteinander. Es war, als gäben sie Kommentare ab. Aus der Art, wie sie sprachen, wurde mir rasch klar, daß sie sich etwas ansahen. Und ich konnte den Computer hören – die Tastatur und andere Geräusche. Später paßte ich dann eine Gelegenheit ab, um selbst im Computer nachzusehen, und ich fand, was sie sich angesehen hatten. Es waren kleine Mädchen, zehn, elf …«
    »Okay, zu der Sache mit dem Computer kommen wir gleich zurück. Aber zunächst zu dem, was Sie gehört haben. Inwiefern hatten die … diese Kommentare zur Folge, daß Sie bestimmte Rückschlüsse zogen, was Stacey angeht, oder sogar ganz konkret etwas über sie erfuhren?«
    »Weil sie von ihr sprachen. Ich hörte Richter sagen: ›Da ist sie.‹ Und dann sagte mein Mann ihren Namen. Die Art, wie er ihn sagte … fast sehnsüchtig – jedenfalls nicht so, wie ihn ein Vater oder Stiefvater sagen würde. Und dann waren sie still. Mir war klar, daß sie sie ansahen. Ich wußte es.«
    Bosch dachte an das, was er am Abend zuvor auf dem Bildschirm von Riders Computer gesehen hatte. Er hatte Mühe, sich vorzustellen, daß Kincaid und Richter zusammen in einem Büro saßen und sich dieselben Szenen ansahen – und mit deutlich anderen Empfindungen.
    »Und dann fragte Richter meinen Mann, ob Detective Sheehan sich schon bei ihm gemeldet hätte. ›Weswegen?‹ fragte mein Mann, und Richter sagte, wegen seines Schmiergelds, daß er Harris’ Fingerabdrücke auf Staceys Buch angebracht hatte. Mein Mann lachte. Er sagte, er hätte Sheehan nicht zu schmieren gebraucht. Und dann erzählte er Richter, was ich ihm während des Prozesses erzählt hatte, daß ich mein Auto in die Waschanlage gebracht hatte. Als er fertig war, lachten beide, und mein Mann sagte, und daran kann ich mich noch ganz deutlich erinnern, er sagte: ›Soviel Glück habe ich schon mein ganzes Leben …‹ Und in diesem Moment war der Fall für mich klar. Er hat es getan. Sie haben es getan.«
    »Und darauf beschlossen Sie, Howard Elias zu helfen.«
    »Ja.«
    »Warum ihm? Warum sind Sie nicht zur Polizei gegangen?«
    »Weil ich wußte, daß sie ihn nie unter Anklage stellen würden. Die Kincaids sind eine mächtige Familie. Sie bilden sich ein, über dem Gesetz zu stehen, und das tun sie ja auch. Der Vater meines Manns hat jedem Politiker in der Stadt Geld zugesteckt. Ob nun Demokrat oder Republikaner,

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