Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Engel

Schwarze Engel

Titel: Schwarze Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
sollte. Bosch bereute, daß er Billets in Chastains Anwesenheit angerufen hatte.
    Chastain schien sich seines Fehltritts bewußt zu sein und brach das Schweigen, indem er sich in harmloser Konversation versuchte.
    »Erzählen Sie doch mal von diesem Hartgekochte-Eier-Fall, von dem die Leute ständig reden«, sagte er.
    »Ach, das war doch bloß ein Fall. Nicht der Rede wert.«
    »Wahrscheinlich habe ich die Zeitungsmeldungen darüber verpaßt.«
    »Das war reines Glück, Chastain. Davon könnten wir auch in diesem Fall etwas brauchen.«
    »Jetzt erzählen Sie schon! Es interessiert mich wirklich – gerade jetzt, wo wir Partner sind, Bosch. Ich mag Geschichten über Glück. Vielleicht färbt es ja ab.«
    »Wir wurden zu einem Selbstmord gerufen. Reine Routinesache. Die Streife forderte uns an. Wir sollten die Sache zum Abschluß bringen. Losgegangen ist das Ganze so: Eine Mutter beginnt sich Sorgen zu machen, weil ihre Tochter oben in Portland nicht am Flughafen auftaucht. Sie sollte zu einer Hochzeit oder so hochkommen, taucht aber nicht auf. Die Familie wartet also am Flughafen. Irgendwann ruft die Mutter schließlich an und fragt, ob wir nicht mal in der Wohnung der Tochter vorbeischauen könnten. Ein kleines Mietshaus drüben in der Franklin Avenue, nicht weit von der La Brea. Ein Streifenpolizist fährt hin, läßt sich vom Hausmeister die Wohnung aufschließen und findet sie. Sie war schon ein paar Tage tot – seit dem Morgen, an dem sie nach Portland hätte hochfliegen sollen.«
    »Wie hat sie es gemacht?«
    »Es sollte so aussehen, als hätte sie Tabletten geschluckt und sich dann in der Badewanne die Pulsadern aufgeschnitten.«
    »Der Streifenpolizist hielt es für einen Selbstmord.«
    »So sollte es auch aussehen. Es gab auch einen Abschiedsbrief. Eine aus einem Notizbuch herausgerissene Seite. Es standen lauter so Sachen drauf wie, daß das Leben nicht so wäre, wie sie es sich vorgestellt hätte, und daß sie die ganze Zeit schrecklich einsam wäre und so. Ziemlich nebulöses Zeug. Sehr depressiv.«
    »Und? Wie sind Sie dann doch drauf gekommen?«
    »Tja, wir wollten – Edgar war dabei, Rider hatte einen Gerichtstermin – wir wollten den Fall eigentlich schon zu den Akten legen. Wir hatten uns in der Wohnung umgesehen und nichts wirklich Auffälliges entdeckt – außer dem Abschiedsbrief. Ich konnte bloß das Notizbuch nicht finden, aus dem die Seite herausgerissen worden war. Und das kam mir komisch vor. Zwar dachte ich deswegen nicht gleich, daß sie sich nicht selbst umgebracht hatte, aber es war eine Unstimmigkeit, wissen Sie? So im Stil von: Was stimmt in diesem Bild nicht?«
    »Sie dachten also, daß jemand in der Wohnung gewesen sein mußte und das Notizbuch mitgenommen hatte?«
    »Vielleicht. Eigentlich wußte ich zunächst gar nicht, was ich davon halten sollte. Ich sagte zu Edgar, durchsuchen wir die Wohnung noch mal, aber diesmal mit vertauschten Rollen. Jeder nahm sich jeweils das vor, was sich vorher der andere angesehen hatte.«
    »Und dabei entdeckten Sie etwas, was Edgar übersehen hatte.«
    »Übersehen hatte er es nicht. Es hatte bei ihm nur nicht geklingelt. Bei mir aber schon.«
    »Und was war das?«
    »In ihrem Kühlschrank war ein Eierfach. Sie wissen schon, so ein Behälter mit lauter kleinen Vertiefungen, wo man die Eier reinlegt.«
    »Ja.«
    »Na ja, und mir fiel auf, daß sie auf einige der Eier ein Datum geschrieben hatte. Immer das gleiche Datum. Es war der Tag, an dem sie nach Portland hochfliegen sollte.«
    Bosch sah zu Chastain hinüber, um zu sehen, ob er eine Reaktion zeigte. Der IAD-Mann machte nur ein verdutztes Gesicht. Er kam nicht drauf.
    »Es waren hartgekochte Eier. Die mit einem Datum drauf waren hartgekocht. Ich machte eins über der Spüle auf. Es war hartgekocht.«
    »Aha.«
    Er kam noch immer nicht drauf.
    »Das Datum auf den Eiern war vermutlich der Tag, an dem sie sie gekocht hatte«, fuhr Bosch fort. »Sie wissen schon, damit sie die gekochten von den anderen unterscheiden könnte und wüßte, wie alt sie sind. Und dann kam es mir plötzlich. Man kocht nicht ein paar Eier auf Vorrat und begeht dann Selbstmord. Ich meine, das leuchtet nicht so ganz ein, oder?«
    »Sie wurden also mißtrauisch.«
    »Mehr als das.«
    »Sie waren sich jetzt sicher. Es war ein Mord.«
    »Plötzlich stellte sich das Ganze in einem völlig neuen Licht dar. Wir gingen ganz anders an die Sache heran. Jetzt stellten wir Ermittlungen in einem Mordfall an. Es dauerte ein paar Tage,

Weitere Kostenlose Bücher