Schwarze Engel
den zwei Türschlössern auszuprobieren.
»Erinnern Sie sich noch, was Sie vorhin gesagt haben? Daß ich irgendwann anfangen müßte, Ihnen zu trauen? Das ist der Punkt, an dem ich anfange, Ihnen zu trauen, Chastain. Ich habe nicht die Zeit, um auf einen Durchsuchungsbefehl zu warten. Ich gehe da jetzt rein. Ein Mordfall ist wie ein Hai. Er muß in Bewegung bleiben, oder er säuft ab.«
Er öffnete das erste Schloß.
»Sie mit Ihren blöden Fischen. Erst Kampffische, jetzt ein Hai.«
»Tja, Chastain, wenn Sie eine Weile dabeibleiben, lernen Sie vielleicht sogar, wie man einen fängt.«
Gerade als er das sagte, bekam er das zweite Schloß auf. Er sah Chastain an und zwinkerte, dann öffnete er die Tür.
Sie betraten einen mittelgroßen Wohnraum mit teuren Ledermöbeln und Kirschbaumregalen. Aus den Fenstern und vom Balkon hatte man einen kostspieligen Blick nach Süden auf die Downtown und das Civic Center. Bis auf Teile der Times vom Freitag, die über das schwarze Ledersofa verteilt waren, und einen leeren Kaffeebecher auf der Glasplatte des Couchtisches war der Raum ordentlich aufgeräumt.
»Hallo?« rief Bosch, um sicherzugehen, daß die Wohnung leer war. »Polizei. Ist da jemand?«
Keine Antwort.
Bosch stellte seinen Aktenkoffer auf den Eßzimmertisch, öffnete ihn und nahm ein Paar Latexhandschuhe aus einer Schachtel. Er fragte Chastain, ob er auch welche wollte, aber der IAD-Mann lehnte ab.
»Ich rühre nichts an.«
Sie trennten sich und nahmen rasch eine vorläufige Durchsuchung der Wohnung vor. In den anderen Räumen herrschte die gleiche Ordnung wie im Wohnzimmer. Das größere der zwei Schlafzimmer hatte einen eigenen Westbalkon. Es war eine klare Nacht. Bosch konnte bis Century City sehen. Hinter seinen Wolkenkratzern fielen die Lichter von Santa Monica zum Meer ab. Chastain kam hinter ihm ins Schlafzimmer.
»Kein Arbeitszimmer«, sagte er. »Das zweite Schlafzimmer sieht wie ein Gästezimmer aus. Vielleicht um Zeugen unterzubringen.«
»Okay.«
Bosch sah kurz den Inhalt des Sekretäraufsatzes durch. Keine Fotos oder sonst etwas, das persönlichen Charakter hatte. Das gleiche galt für die kleinen Tische auf beiden Seiten des Betts. Der Raum sah aus wie ein Hotelzimmer, und in gewisser Weise war er das auch – falls Elias nur zum Schlafen hergekommen war, wenn er sich auf einen Prozeß vorbereitete. Das Bett war gemacht, und das fiel Bosch auf. Elias hatte mitten in den Vorbereitungen für einen wichtigen Prozeß gesteckt und Tag und Nacht gearbeitet, und doch hatte er sich am Morgen die Zeit genommen, das Bett zu machen, obwohl er doch vorhatte, am Ende des Tages wieder zurückzukommen. Völlig ausgeschlossen, dachte Bosch. Entweder hatte er das Bett gemacht, weil jemand anders in der Wohnung sein würde, oder jemand anders hatte das Bett gemacht.
Eine Putzfrau schloß Bosch aus, weil eine Putzfrau die Zeitung und die leere Kaffeetasse im Wohnzimmer aufgeräumt hätte. Nein, es war Elias gewesen, der das Bett gemacht hatte. Oder jemand, der mit ihm in der Wohnung gewesen war. Er stützte sich dabei nur auf seinen Riecher, den er sich dank jahrelanger Beschäftigung mit menschlichen Gewohnheiten erworben hatte, aber in diesem Moment war sich Bosch ziemlich sicher, daß noch eine andere Frau im Spiel war.
Er öffnete die Schublade des Nachttischs, auf dem ein Telefon stand, und fand ein Adreßbuch. Es öffnete es und blätterte darin. Es enthielt viele Namen, die er kannte. Die meisten waren Anwälte, von denen Bosch schon gehört hatte oder die er sogar kannte. Ein Name ließ ihn stutzen. Carla Entrenkin. Auch sie war eine Anwältin, die auf Bürgerrechtsfälle spezialisiert war – beziehungsweise bis vor einem Jahr gewesen war, als die Police Commission sie zum Inspector General des Los Angeles Police Department ernannt hatte. Er stellte fest, daß Elias neben ihrer Büronummer auch ihre Privatnummer eingetragen hatte. Die Privatnummer war mit dunklerer, anscheinend nicht so alter Tinte geschrieben. Für Bosch sah es so aus, als wäre die Privatnummer einige Zeit nach der Büronummer in das Buch eingetragen worden.
»Was haben Sie da?« wollte Chastain wissen.
»Nichts«, antwortete Bosch. »Nur ein Haufen Anwälte.«
Als Chastain neben ihn trat, um einen Blick in das Adreßbuch zu werfen, klappte er es zu, warf es in die Schublade zurück und schob sie zu.
»Lassen wir das lieber, bis wir den Durchsuchungsbefehl haben«, sagte er.
In den nächsten zwanzig Minuten führten sie eine
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