Schwarze Engel
nicht fragen sollen.«
Sheehan fuhr fort, als hätte er Bosch nicht gehört.
»Wahrscheinlich schleppe ich immer einen Satz Abdrücke von irgendeinem Saftsack, dem ich was anhängen will, mit mir rum. Die bringe ich dann – frag mich nicht, wie – auf dem Buch an, und Simsalabim, schon haben wir unseren Schuldigen! Nur warum sollte ich mir Harris aussuchen, um ihm das Ganze anzuhängen? Ich kannte den Vogel doch gar nicht, hatte nie was mit ihm zu tun. Und es gibt auf der ganzen weiten Welt niemanden, der beweisen kann, daß ich es getan habe, weil es nicht passiert ist, um bewiesen werden zu können.«
»Klar.«
Sheehan schüttelte den Kopf und blickte in seinen Bierkrug.
»Ich habe aufgehört, mich noch einen Dreck um irgendwas zu scheren, seit damals die Geschworenen reinkamen und sagten, nicht schuldig. Seit sie gesagt haben, ich bin schuldig … als sie nicht uns, sondern dieser Type geglaubt haben.«
Bosch blieb still. Ihm war klar, Sheehan mußte sich den Frust von der Seele reden.
»Wir stehen auf verlorenem Posten, Mann. Das ist mir inzwischen klargeworden. Das Ganze ist doch nur noch ein Witz. Diese Scheißanwälte, was die mit dir machen können! Und mit dem Beweismaterial. Ich gebe auf, Harry. Wirklich. Mein Entschluß steht bereits fest. Wenn ich meine fünfundzwanzig Jahre zusammen habe, ist Schluß. Ich habe noch acht Monate, und ich zähle jeden einzelnen Tag. Ich schmeiße den Kram hin und ziehe rauf nach Blue Heaven, dann sollen die Saftsäcke in diesem Scheißhaus hier meinetwegen machen, was sie wollen.«
»Finde ich eine gute Idee, Frankie«, sagte Bosch ruhig.
Ihm fiel nichts ein, was er sonst hätte sagen können. Er war verletzt und schockiert, daß sein Freund in totalen Haß und Zynismus abgerutscht war. Er konnte es verstehen, war aber überrascht über den hohen Preis, den er dafür bezahlt hatte. Er war auch von sich selbst enttäuscht und schämte sich insgeheim, daß er Sheehan vor Carla Entrenkin so überzeugt in Schutz genommen hatte.
»Ich kann mich noch gut an den letzten Tag erinnern«, fuhr Sheehan fort. »Ich war bei ihm. Im Verhörraum. Und ich wurde so unglaublich wütend auf dieses Schwein, daß ich am liebsten meine Kanone rausgeholt und ihn abgeknallt hätte. Aber mir war klar, daß das nicht ging. Weil er wußte, wo sie war. Er hatte die Kleine!«
Bosch nickte bloß.
»Wir hatten alles versucht und nichts aus ihm rausgekriegt. Er hat uns gebrochen, bevor wir ihn brechen konnten. Das ging sogar soweit, daß ich ihn angefleht habe, er soll es uns sagen. Das war ganz schön peinlich, Harry.«
»Und was hat er gemacht?«
»Mich bloß angesehen, als ob ich nicht da wäre. Er hat nichts gesagt. Er hat nichts getan. Und dann … dann überkam mich eine Wut wie … Ich weiß auch nicht. Wie ein Knochen, der einem im Hals steckenbleibt. Eine Wut wie noch nie zuvor. In der Ecke war ein Mülleimer. Ich ging hin und zog die Tüte raus und zog sie ihm über seine Scheißbirne. Und ich hielt sie ihm um den Hals zu, immer weiter und weiter …«
Sheehan begann zu weinen und versuchte zu Ende zu sprechen.
»… sie … sie mußten mich von ihm wegziehen.«
Er stützte die Ellbogen auf den Tresen und preßte die Handballen in seine Augenhöhlen. So blieb er lange reglos sitzen. Bosch sah von seinem Kinn einen Tropfen in sein Bier fallen. Er legte seinem alten Partner die Hand auf die Schulter.
»Ist ja gut, Frankie.«
Ohne die Hände von seinem Gesicht zu nehmen, sprach Sheehan weiter.
»Siehst du jetzt, Harry, ich bin genau wie das geworden, was ich all die Jahre gejagt habe. Am liebsten hätte ich ihn auf der Stelle umgebracht. Wenn die anderen nicht gewesen wären, hätte ich es auch getan. Das werde ich nie vergessen können.«
»Ist ja gut, Mann.«
Sheehan nahm einen Schluck Bier und schien sich ein wenig zu beruhigen.
»Nachdem ich das getan hatte, war es, als wären plötzlich alle Dämme gebrochen. Die anderen Typen, sie haben das mit dem Bleistift gemacht – ihm sein Scheißtrommelfell durchlöchert. Wir sind alle Monster geworden. Wie in Vietnam, wo sie in den Dörfern durchgedreht haben. Wahrscheinlich hätten wir diesen Kerl umgebracht, aber weißt du, was ihm das Leben gerettet hat? Das Mädchen. Stacey Kincaid hat ihn gerettet.«
»Wie das?«
»Sie fanden die Leiche. Wir erfuhren es und sind sofort los. Harris haben wir in einer Zelle gelassen. Lebend. Er kann von Glück reden, daß wir es nicht später erfahren haben.«
Er hielt inne, um einen
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