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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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wenn es nötig ist.
    Im Gegensatz zu mir hatte Timothy einen Plan. Er hatte über seine Lage nachgedacht. Nun wollte er zur Chronosphäre gebracht werden, um in die Nacht zu reisen, in der seine Mutter ermordet worden war. Indem er dort blieb, hoffte er nicht mehr zu existieren.
    Im Lauf der Jahre hatte er in den verzweifeltsten Momenten an Selbstmord gedacht, sich jedoch dagegen entschieden, weil er glaubte, sein Vater werde ihn nicht so leicht gehen lassen. Falls Cloyce seinen Sohn je geliebt hatte, so war es damit schon seit vielen Jahrzehnten vorbei. Was er jedoch leidenschaftlich liebte, waren sein Reichtum, seine Besitztümer und seine Spielzeuge , und er hätte es nicht geduldet, dass ihm irgendetwas davon weggenommen wurde. Auch den Jungen hielt er für seinen Besitz, und deshalb hätte er versucht, den Selbstmord zu revidieren, indem er mit Timothy zu einem Zeitpunkt kurz davor zurückreiste. Anschließend hätte man das Leben des Jungen noch mehr eingeschränkt, und seine Existenz wäre unerträglicher gewesen denn je.
    Damit hatte Timothy wohl recht, aber ich war nicht sicher, was geschehen würde, wenn er in eine Zeit vor seiner Zeugung zurückreiste. Das Paradox, das er jetzt darstellte, war womöglich nur halb so komplex wie jenes, das er damit erschaffen würde.
    Das waren jedoch nicht meine einzigen Bedenken. Denn selbst wenn es sein Schicksal gewesen war, 1925 als Neunjähriger zu sterben, und selbst wenn die Aussicht, als ewiges Kind zu leben, ihm unerträglich vorkam, hatte ich Skrupel, ihm bei einem mindestens passiven Selbstmord zu helfen. Ich wollte Hoffnung für ihn schaffen, und die lag in seiner Freiheit, nicht in einer Kapitulation vor den Umständen.
    Während wir die Treppe hinabstiegen, nahm ich mir vor, drüben im Gästeturm nicht gleich ganz nach oben zu gehen, sondern zuerst zu Annamaria. Die war zwar so rätselhaft wie alles, was Alice hinter den Spiegeln begegnet, aber sie würde das Problem mit mehr Weisheit als ich betrachten. Besonders schwierig war das nicht, da mein Weisheitsniveau nicht allzu schwer zu übertreffen ist.
    Als wir das Erdgeschoss erreicht hatten, ohne beschossen oder bespuckt zu werden, beschloss ich, gleich in den Keller weiterzugehen, obwohl sich dort immer noch die Suchmannschaft aufhielt. In solchen Situationen kam es darauf an, den Gegner zu entdecken, bevor man von ihm entdeckt wurde, das war alles.
    Ich ging voraus, drehte mich aber mehrfach nach dem Jungen um, um mich zu vergewissern, dass er direkt hinter mir blieb. Dabei lächelte er mich zum ersten Mal an, um meine Sorgen zu beschwichtigen. Obwohl er schon fünfundneunzig Jahre gelebt hatte, war er noch immer Kind genug, um mir mit diesem Lächeln fast das Herz zu brechen.
    In diesem Augenblick wusste ich, dass mein Plan, ihm zu helfen, scheitern musste.
    Sein vertrauensvolles Lächeln erinnerte mich an manche Kriminalfilme, in denen zwei miteinander befreundete Cops auftreten. Der von dem weniger bekannten Schauspieler dargestellte Cop erzählt seinem Kumpel, dem Star des Films, dass er bald heiraten wird. Spätestens drei Szenen später ist er mausetot, und der Star hat die nötige Motivation, um unbeschadet durch einen Kugelhagel nach dem anderen zu gehen, zwanzig Gangster abzuschlachten und feuchte Augen zu bekommen, ohne dass ihn jemand für ein Weichei hält.
    Die große Mehrzahl an Filmen kümmert sich nicht darum, das Leben nachzuahmen, weil das Leben die Klischees vermeidet, mit denen an der Kinokasse das große Geld verdient werden kann. Aber manchmal ahmt das Leben solche Filme nach, meistens mit verheerenden Folgen und ohne dass man sich mit Popcorn trösten könnte.
    Am Ende der Treppe stand die Tür zum Kellerflur weit offen. Zögernd blieb ich auf der letzten Stufe stehen und lauschte.
    Niemand weit und breit. In der Luft lag ein leichter Ozongeruch wie schon seit längerer Zeit. Sonst roch ich nichts, und hören konnte ich erst recht nichts.
    Ich hob die Hand, um Timothy anzudeuten, er solle stehen bleiben, während ich mich vorsichtig durch die offene Tür schob.
    Im Flur standen alle Türen rechts und links weit oder zumindest halb offen. Scheinbar hatte der Suchtrupp es zu eilig gehabt, um sie wieder zuzumachen.
    Ansonsten schien der Weg bis zum Weinkeller frei zu sein.
    Gleich links von mir befand sich der Eingang zu dem Baubüro, das eine Verbindung zu der Zeit vor der Errichtung des Haupthauses im Jahr 1921 darstellte. Durch die offene Tür sah ich die Zeichentische und die

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