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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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drückte, zitterte wie Espenlaub. Ich hielt ihn mit einer Hand ganz fest, damit er angesichts der Nähe des zweiten Biests nicht die Nerven verlor und wegrannte.
    Womöglich wollte er wirklich in die Vergangenheit zurückgebracht werden, damit er nicht ewig ein Junge blieb und damit sein Leben in der Nacht endete, in der sein Vater ihn erschossen hatte. Aber so verzweifelt er auch sein mochte, in die Hände eines solchen Ungeheuers wollte er bestimmt nicht fallen. Er wollte nicht in diese gelben Augen starren, während ihn Klauen zerfetzten und scharfe Zähne sich in sein Gesicht gruben.
    So zu sterben hätte vielleicht wirklich bedeutet, zweimal zu sterben. Der erste Tod wäre jener der Seele gewesen, die den Glauben an die Besonderheit des Menschseins verlor, während der zweite Tod nur noch den Körper betroffen hätte.
    Die Kreatur neben uns zischte und knirschte mit den Zähnen, während sie zusah, wie ihr Artgenosse durch die Möbelinseln stürmte. Dabei wurde eine Tischlampe zu Boden gestoßen, und ein Sessel stürzte um.
    Am anderen Ende des Salons warf sich das Biest triumphierend auf die Leiche von Mrs. Tameed. Mit entzücktem Kreischen zerfetzte es sie wie ein wütendes Kind eine Puppe. Offenbar reichte es diesen Wesen nicht aus, etwas einfach nur zu töten; ein Gräuel musste auf den anderen folgen.
    Wir waren wieder im Revier von Edgar Allan Poe, diesmal beim Doppelmord in der Rue Morgue , wo ein Orang-Utan in der Nacht wütet, ein Rasiermesser in der Hand. Es genügt ihm nicht, seine Opfer umzubringen, nein, er muss noch etwas Übles mit den Leichen anstellen.
    Die brutalen Geräusche der Verstümmelung ließen Timothy noch heftiger zittern als zuvor. Wenn er wieder zu schluchzen begann wie bei Shilshoms lang gedehntem Todesschrei, dann verriet er uns und sorgte dafür, dass es uns ebenso erging wie Mrs. Tameed.
    Notgedrungen bereitete ich mich darauf vor, die Hälfte des siebzehnschüssigen Magazins aus nächster Nähe in das Biest neben uns zu pumpen. Wahrscheinlich überlebte es das lange genug, um uns in seinen Todeszuckungen noch die Klauen in den Leib zu schlagen.
    Nicht nötig. Abrupt setzte die dämonische Kreatur sich in Bewegung und galoppierte durch den Salon, die Axt hoch erhoben. Offenbar spürte sie den unwiderstehlichen Drang, ihren Hass und ihre Verachtung auszudrücken, indem sie ihren Artgenossen bei der Verstümmelung der Leiche unterstützte.
    Im Durchgang zur Diele erschien Paulie Sempiterno, eine militärische Schrotflinte in den Händen, und bewegte sich auf das Gemetzel zu. Dabei fiel sein Blick auch auf Timothy und mich, und am kurzen Stocken seiner Schritte war zu erkennen, dass er uns ebenso gern niedergeschossen hätte wie die beiden Biester. Er wusste jedoch, wofür er seine Munition aufsparen musste, und ging an Pan vorbei auf das blutrünstige Pärchen zu.
    Rasch zog ich Timothy in den engen Flur hinter der Täfelung. Die Tür schwang zu und fiel ins Schloss.
    Ich hätte schwören können, dass der Flur nur in eine Richtung führte, nämlich an einer Toilette und einem Wandschrank vorbei zu einem Nebeneingang der Bibliothek. Wir standen jedoch an einer Ecke, von der aus ein kürzerer Flur geradeaus und ein längerer nach rechts führte.
    Wie mehrfach schon überkam mich eine merkwürdige Verwirrung. Es war das Gefühl, dass der Bauplan von Roseland einer speziellen Geometrie gehorchte, weshalb das, was man vor sich sah, nicht alles war, was es gab.
    Wenn Teslas gold und silbern glänzende Maschinerie die Zeit manipulieren und zu den Zwecken instrumentieren konnte, die ich bereits kannte, gab es womöglich noch andere Effekte, die ich mir nicht vorstellen konnte. Diese Effekte konnten so abstrus, ja fast mystisch sein, dass sie selbst dann noch unbegreiflich waren, wenn man sie erlebte.
    Während Sempiterno im Salon das Feuer eröffnete und die verwundeten Biester aufkreischten, fragte ich: »Tim, wo führt der Flur hier rechts hin?«
    »Ich kenne nicht jeden Ort im Haus.«
    »Aber du lebst doch schon so viele Jahre hier!«
    »Niemand kennt jeden Ort im Haus.«
    »Niemand? Aber dein Vater muss Bescheid wissen, er hat es doch gebaut.«
    »Er hat das Geld dafür aufgebracht. Er und Jam Diu.«
    »Dann muss er sich auskennen.«
    »Nein, das tut er nicht. Selbst an gewöhnlichen Tagen kommt es einem manchmal vor, als … als wäre es nicht so, wie es sein sollte. Während einer vollen Flut wie jetzt wird es immer noch merkwürdiger.«
    Eine volle Flut. Es waren Wellen

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