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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Beerdigung senden.
    Als ich die Tür am Ende des Flurs öffnete, die in den hinteren Teil des Hauses hätte führen sollen, sah ich die Bibliothek vor mir. Die hatte ich eigentlich am Ende des anderen Flurs erwartet.
    Mehr als nur leicht verwirrt war ich mit dem Jungen bereits über die Schwelle getreten, als ich Paulie Sempiterno sah. Er hatte uns den Rücken zugewandt und ließ den Blick über die Bücherregale schweifen, als wäre er gerade zehn Sekunden vor uns durch dieselbe Tür gekommen wie wir.
    Als er uns hörte, drehte er sich um. Die Mündung seiner Flinte schwenkte auf uns zu.
    In diesem Krieg zwischen Menschen und Monstern bestand kein Grund zu der Annahme, dass er sich auf die Seite der Menschheit stellte. Er hatte Frauen nach Roseland gelockt, damit Cloyce mit ihnen spielen konnte. Vielleicht hatte er auch selbst mit ihnen gespielt. Gut möglich, dass ich in irgendeiner Ecke des Anwesens seine eigene Sammlung von Leichen entdeckte, bei deren Anblick ich mir wünschte, blind zu sein. Als ich in die Zukunft geblickt und einen schwarzen, mit den Skeletten von Kindern behängten Baum gesehen hatte – war das womöglich ein Werk von Sempiterno in den Jahren, die kamen?
    Ich feuerte so schnell, wie es die Halbautomatik hergab, und zwang ihn mit den Hohlspitzgeschossen meiner Waffe rasch in die Knie. Die Flinte fiel ihm klappernd aus den Händen. Er stürzte auf die Seite, krümmte sich zuckend zur Fötusposition und erstarrte darin. Damit verließ er diese Welt so, wie er monatelang darauf gewartet hatte, sie zu betreten.
    Zu töten bringt keinerlei Befriedigung, egal, wie sehr ein Gegner den Tod verdient haben mag. Die wie Tötungsmaschinen wirkenden Helden in Büchern und Filmen, die lockere Sprüche klopfen, während sie einen Schurken nach dem anderen niedermähen, ähneln auf beunruhigende Weise den Biestern von Roseland. Gerettet werden sie nur durch die Tatsache, dass sie blendend aussehen und dass der Autor ihnen einen Charme verleiht, der die Aufmerksamkeit des Publikums davon ablenkt, was das ganze Blut eigentlich bedeutet.
    Während Sempiterno zu Boden stürzte und sich zusammenkrümmte, sah ich den Jungen an, um ihn zu beruhigen. Einen Moment lang erwiderte er meinen Blick. Vielleicht sah er in meinen Augen wesentlich mehr Jahre, als mein Gesicht zu erkennen gab, während ich dasselbe in seinen Augen sah.
    Dann wandte ich mich von ihm ab und ging zu der Tür, durch die wir die Bibliothek betreten hatten. Als ich sie öffnete, war der lange, schwach erleuchtete Flur, in dem wir gerade gewesen waren, nicht mehr da. Stattdessen sah ich den kürzeren Flur, durch den ich früher schon gegangen war, hell erleuchtet und ohne jede Abzweigung.
    Egal, wie viele Biester über die Rasenflächen und Wiesen von Roseland schlichen, wir mussten rasch hier raus, bevor das Haus sich womöglich zu einer ebenso großen Bedrohung entwickelte wie die gelbäugige Meute.

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    In jeder Ecke lauerte Gefahr, jede Tür war eine Bedrohung. Selbst die Stille fühlte sich bedrohlich an. Vielleicht waren drei Biester tot, vielleicht nur zwei. Vielleicht waren drei ins Haus eingedrungen, vielleicht sechs oder zwölf; es konnten jedoch ebenso gut vierundzwanzig sein. Jam Diu, Mrs. Tameed und Sempiterno weilten nicht mehr unter uns, Shilshom wahrscheinlich ebenfalls nicht mehr. Henry Lolam saß im Pförtnerhaus fest. Damit blieben Victoria und Constantine, das Paar, dessen ewige Liebe – wie sie es genannt hatte – zu einer Liebe zum Morden gereift war.
    Meine Intuition, die normalerweise verlässlicher war als mein Verstand, sagte mir, dass Timothy und mich ein Weg erwartete, der schlimmer als ein Spaziergang durchs Tal des Schattens des Todes war. Ich würde töten müssen, um nicht getötet zu werden, weil nicht zu erwarten war, dass die Biester mir den Gefallen taten, alle drei verbliebenen Bewohner von Roseland zu erledigen.
    Wir pirschten uns erneut durchs Haus, um von der Bibliothek in die Küche zu gelangen. Dabei hielten wir uns an die größeren Zimmer und Flure, weil ich nicht mehr darauf vertraute, dass die Nebenflure dorthin führten, wohin sie zu führen schienen.
    Ich hatte vor, zum Mausoleum zurückzukehren und von dort über offenes Gelände zum Gästeturm vorzustoßen. Seit Timothy mir von der Chronosphäre erzählt hatte, saß mir eine gefährliche Idee im Nacken. Zuerst hatte sie nur als kaum greifbares Phantom im Hintergrund meines Denkens existiert, war jedoch allmählich klarer geworden und verlangte nun

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