Schwarze Heimkehr
konnte, öffnete die Finger aus rostfreiem Stahl und Titan, packte den Stiefel, kurz bevor der ihn traf und riß ihn zur Seite.
Der Mann fiel auf ein Knie und trat in fast derselben Bewegung mit seinem linken Bein nach Croaker. Der Absatz des Stiefels traf ihn an der Stirn.
Croaker verlor beinahe das Bewußtsein, und seine rechte Hand löste sich von dem Stahlträger. Der Mann grunzte befriedigt, als er sah, daß Croaker sich nur noch mit einer Hand festhielt. Er holte aus, um erneut zuzutreten. Da ließ auch Croakers biomechanische Hand den Träger los.
Er stürzte in die Dunkelheit, fiel aber nur einen halben Meter tief und landete auf einem diagonalen Stützbalken. Halb betäubt klammerte er sich daran fest und starrte den Widersacher über sich an. Er warf einen schmerzverzerrten Blick auf ein verdunkeltes Gesicht und starrte in eine Pistolenmündung. Die Art und Weise, wie der Mann auf ihn zielte, und die Spannung, die seinen Körper erfüllte, verrieten Croaker, daß er die Waffe benutzen würde und es schon die ganze Zeit im Sinn gehabt hatte.
Als Kind hatte Croaker Modelleisenbahnen geliebt. Die perfekte Miniaturwelt hatte ihn fasziniert, die Bahnhöfe mit den kleinen, angemalten Fahrgästen aus Metall, die Nebengleise, wo winzige Holzstämme verladen wurden. Aber am meisten hatte er das Geräusch geliebt, das die Metallräder auf den Gleisen verursachten. Es war ein besonderes Geräusch, das ihn an ein schnellaufendes Metronom erinnert und ihn mit Wonne erfüllt hatte. Jetzt, wo er an einem der Stützbalken der nicht fertiggestellten Brücke hing, hörte er dieses Geräusch erneut.
Der andere hatte es offenbar auch gehört, denn er drehte sich um und sah den Mann, der sich ihnen näherte, ebenfalls. Obwohl Croaker nicht aufrecht stand, konnte er erkennen, daß dieser Mann groß und schlank war. Er kam vom hinteren Ende der Brücke mit hoher Geschwindigkeit auf sie zugeschossen. Wie in einem Traum sah Croaker, daß sich seine Beine mit dem gleitenden Schwung eines Eisschnelläufers bewegten, nur daß es kein Eis gab. Er glitt über die Stahlträger, als wäre er ein Geist aus einer anderen Zeit und einem anderen Land. Dann passierte er eine beleuchtete Stelle, und Croaker erkannte, daß er auf Rollerblades fuhr.
Für einen Mann, der sich mit einer so hohen Geschwindigkeit bewegte, hielt er seinen Oberkörper erstaunlich ruhig. Es war seltsam. Der Skater streckte seinen linken Arm wie ein Scharfschütze aus, aber er hielt keine Waffe in der Hand. Statt dessen sah Croaker das dunkle Glänzen eines kleinen runden Gegenstandes in seiner Hand.
Der Skater schoß durch die Luft und sauste direkt auf Croakers Gegner zu, der sich jetzt ganz von Croaker abwandte und auf den anderen Mann zielte. Er drückte ab, und das flache, häßliche Geräusch des Schusses brach sich an den Wänden. Das Echo ergoß sich wie ein auffliegender Vogelschwarm über die Baustelle.
Dann knallten der Mann und der Skater engumschlungen auf den Beton. Der Rollschuhfahrer preßte zwei Finger gegen die Schläfe des Mannes, der zu erstarren schien, als wären alle Neuronen in seinem Gehirn zeitweise lahmgelegt worden. Mit der anderen Hand rammte er den Kopf des Mannes gegen den rauhen Beton. Dann öffnete er seine schlanken Finger, und ein dunkler Stein glänzte in seiner Handfläche. Er preßte ihn wortlos hart an den Brustknochen des Mannes, der den Mund weit aufriß und dann von dem Stahlträger und dem schlüpfrigen Beton abglitt.
Croaker klammerte sich an dem diagonalen Stützbalken fest. Die körperliche Anstrengung, die Angst und ein Adrenalinstoß ließen ihn keuchen. Die Lichter, die in der Ferne blinkten, schienen sich um verrückte Achsen zu drehen. Er fühlte, daß seine Muskeln zu zucken begannen und wußte, daß er sich nicht mehr lange festhalten konnte. In diesem Augenblick blickte er zu dem Gesicht des Skaters auf, das auf ihn herabspähte und so dunkel und groß wie der Erntemond war.
Der Skater gluckste wie eine Henne. »
Madre de mentiras, Senior
, sie haben einen verdammt beschissenen Tag erwischt.«
Es war Antonio Bonita.
Antonio kletterte herab, bis er einen Fuß gegen den Stahlträger stemmen konnte, an dem Croaker sich festklamrnerte. Er streckte eine Hand herab und ergriff Croakers Hand. Überraschend mühelos half er ihm auf den Träger zurück. Er setzte sich, während Croaker kniete.
Noch lange, nachdem er die Nachwehen des Schwindels abgeschüttelt hatte, preßte Croaker sein Kinn an die Brust, als
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