Schwarze Heimkehr
hatte er ihr gesagt, wann die Wahrscheinlichkeit am geringsten war, Matty im Krankenhaus zu begegnen.
Er ließ den Motor an und gab Gas. Es kam ihm merkwürdig vor, daß er den Eindruck hatte, daß Rachel in gewisser Hinsicht Glück gehabt hatte, Gideon kennenzulernen. Knapp vor einem Lastwagen bog er auf die Washington Avenue ein, und der Fahrer hupte, Er hupte zurück, aber der Lastwagen bremste nicht ab. Der Fahrer schien auf die überwältigende Größe seines Gefährtes zu vertrauen.
Fahr zur Hölle, dachte Croaker und trat aufs Gaspedal. Der türkisfarbene Thunderbird schoß auf die Straße hinaus. Aus dem Augenwinkel sah er im Rückspiegel den riesigen Chromkühler des Lastwagens. Er schien den Spiegel zu überfluten. Der Fahrer des Lastwagens schreckte aus seiner Arroganz auf und trat auf die Bremse, während Croaker davonraste.
Als er nach links auf die Zehnte Straße abgebogen war, hatte er das Gefühl, von einer weißen BMW-Limousine mit stark getönten Scheiben verfolgt zu werden. Um sicherzugehen, bog er scharf nach links in die Pennsylvania Avenue ein. Der Motor des Thunderbirds dröhnte. Der weiße BMW beschleunigte beim Abbiegen.
Croaker sah Miami wie ein erleuchtetes Netz vor sich liegen. Miami Beach bestand im wesentlichen aus einer Gruppe von Inseln, die durch den Intracoastal-Kanal und die Biscayne Bay vom Festland getrennt waren. Es war durch eine Reihe von Dämmen mit Miami verbunden. Weil South Beach am äußersten südlichen Ende lag, wäre es eine Sackgasse gewesen, von hier aus in südlicher Richtung weiterzufahren. Es sei denn, man nahm den MacArthur Causeway, der die Fünfte Straße mit der Dreizehnten in Miami verband.
Dorthin wandte er sich.
Der Fahrer des weißen BMWs hatte das erahnt und aufgeholt und saß ihm jetzt hart im Nacken, während Croaker aus dem langsam fließenden Verkehrsstrom auf dem Damm ausscherte und sich dann wieder einfädelte. Rechts flogen Star Island und dann Palm Island und Hibiscus Island vorbei, kleine exklusive Enklaven, deren Häuser alle einen zwischen Palmen gelegenen privaten Bootsanlegeplatz hatten und riesige Zimmer mit herrlichem Ausblick auf die millionenschweren Anwesen der Bucht. In diesem Teil der Bay war genug Geld im Umlauf, daß es selbst für die höchsten Ansprüche reichte.
Obwohl er sich alle Mühe gab, konnte Croaker seinem Verfolger nicht entkommen. Auf einer geraden Strecke hätte der Thunderbird mit seinem starken Motor und dem höheren Drehmoment davonziehen können, aber wenn es um das Manövrieren zwischen anderen Fahrzeugen ging, hatte der BMW durch sein stromlinienförmiges Design und die bessere Wendigkeit einen deutlichen Vorteil.
Ganz plötzlich befanden sie sich in einer völlig anderen Welt, im steifen und modernen Hauptgeschäftsviertel von Miami, wo anonym aussehende Gebäude großer Unternehmen mit schäbigen Touristenläden wetteiferten. Der Verkehr verdunstete wie Sprühregen im tropischen Sonnenlicht. Wenn er die Wahl hatte, achtete Croaker darauf, sich immer für die offensichtliche Alternative zu entscheiden. Er wollte dem Fahrer des BMWs die Verfolgung so erleichtern, daß der seine Manöver vorausahnte.
Das war die gleiche Taktik, mit der man einen Verdächtigen während eines Verhörs im Griff behielt. Man enthüllte ihm kleine Einblicke ins eigene Ich, bis er dem Mißverständnis erlag, er hätte alles unter Kontrolle. Man mußte ihm Übereinstimmung suggerieren, um ihm dann diese Sicherheit zu nehmen. Dann war er erledigt.
Der Thunderbird durchquerte eine Reihe aufeinanderfolgender Schattenzonen. Er war jeweils für ein paar Momente für den Fahrer des BMWs nicht zu sehen, bis der begriff und seine Aufmerksamkeit nicht mehr auf die Silhouette des Thunderbirds richtete, sondern auf den Strahl der Scheinwerfer, der ihm nicht nur verriet, wo Croaker sich befand, sondern auch, wo er hinsteuerte.
Die Bürgersteige lagen so verlassen, als wäre eine Neutronenbombe explodiert. Sogar die Ganoven und Nutten waren mit den Touristen und den Kids in südlicher Richtung nach Coconut Grove ausgewandert. Das bläulichweiße Licht hüpfte auf den verspiegelten Fensterscheiben der Wolkenkratzer, aber zwischendurch erinnerte die Dunkelheit an die erstickende Undurchdringlichkeit des Dschungels.
Croaker fuhr wieder in südlicher Richtung über das letzte Stück des Biscayne Boulevards. Fast an dessen Ende angelangt, bog er in Höhe der Ersten Straße in die Zweite Avenue ab und orientierte sich weiterhin nach
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