Schwarze Heimkehr
davonraste. Seine rechte Hand zitterte, und als er vor dem West-Wing-Pavillon anhielt, bemerkte er an der Stelle des Lenkrades, wo er es mit seiner künstlichen Hand umklammert hatte, einen kleinen Riß.
Das Jackson-Memorial-Krankenhaus hatte einen bewachten Parkplatz wie ein gutes Restaurant oder ein Nachtclub. Wenn man bedachte, in welcher Gegend von Miami es sich befand, war das eine kluge Entscheidung. Croaker blickte auf die Uhr. Es war jetzt fünfundvierzig Minuten her, daß er Jenny angerufen und das Startzeichen gegeben hatte. Stansky mußte jede Minute eintreffen, wenn er nicht schon hier war.
Er blickte an der Ziegelfassade des Pavillons hoch, und stieg dann die Stufen zu der kühlen, stillen Eingangshalle hinauf. Er fuhr mit dem Lift in den fünfzehnten Stock und schritt dann schnell einen breiten Korridor hinab. Er kam an einer Schwesternstation vorbei und bog um eine Ecke. Das Dialysezentrum befand sich auf der anderen Straßenseite in den Jackson Memorial Towers, aber Jenny hatte sich entschlossen, Rachel sofort in den fünfzehnten Stock des West-Wing-Pavillons zu bringen, wo die Operationsräume für Transplantationen untergebracht waren.
Er sah Jenny am hinteren Ende des Korridors, die gerade Rachels Zimmer verlassen hatte. Sie blickte sich um, als hätte sie geahnt, daß er kam. Als sie ihn bemerkte, lächelte sie und schüttelte schnell den Kopf. Stansky war noch nicht aufgetaucht.
»Wie geht's ihr?« fragte Croaker laut. Sie waren zwar noch ein Stück voneinander entfernt, aber der Flur lag leer, und die Schwesternstation befand sich mehr als dreißig Meter hinter ihm um die Ecke. Zwischen ihnen gab es nur zwei Kranken- und ein Badezimmer. Jenny hatte klugerweise ein ruhiges, stilles Plätzchen ausgesucht, um Rachel in Sicherheit zu bringen.
»Besser«‚ antwortete sie.
»Stansky war's, oder?«
Sie nickte und wurde kurz durch einen großen schlanken Pfleger in einem weißen Kittel abgelenkt, der einen Mann in einem Rollstuhl aus einem der Zimmer zwischen ihnen schob. »Du hattest recht. Kein Wunder, daß wir keine Fortschritte gemacht haben, was die Infektion betraf. Stansky hat Rachel durch das Infusionsgerät jeden Tag von neuem mit der Blutvergiftung infiziert.«
»Er hat sie vergiftet«, sagte Croaker. »Warum?«
Der Pfleger wendete den Rollstuhl in Croakers Richtung. »Warum fragen sie ihn nicht selbst?« fragte er, während er die Bremsen des Rollstuhls plötzlich losließ und ihn direkt auf Croaker zusausen ließ. Croaker erkannte den ›Patienten‹‚ obwohl er etwas in sich zusammengesunken auf dem Stuhl saß: Stansky. Die Handgelenke und Fußknöchel des Arztes waren mit Draht an dem Rollstuhl festgebunden, und sein Anzug war von Blut und Schweiß dunkel verfärbt. Croaker packte eine Armlehne des Rollstuhls mit seiner Kunsthand. Der Stuhl wirbelte auf zwei Rädern herum und wäre fast umgekippt, bevor er ihn endlich unter Kontrolle hatte. Aber da war ihm längst klar, daß Dr. Ronald Stansky tot war.
Croaker blickte über Stansky hinweg auf den Mann in dem weißen Kittel. Er stand direkt hinter Jenny und hielt ihre Kehle mit einem Arm umschlossen.
»Sehen Sie, wie lächerlich einfach es ist, Seňor? Es ist meine Stärke, bei anderen die schwache Stelle zu finden, weil das ein wirkliches Vergnügen ist.«
Croaker blickte in Jennys grüne Augen. Ihr Blick verriet Besorgnis, aber keine Panik. Er wandte seine Aufrnerksamkeit wieder dem Pfleger im Kittel zu - es war Antonio, nicht Heitor, denn er hatte keine gebrochene Nase.
»Sie haben mir erzählt, daß andere mich anlügen würden«, sagte Croaker. »Stansky war einer der übelsten davon, oder?«
»Oh‚ ich versichere Ihnen, daß es Schlimmere gibt.«
Croaker streckte die Arme aus, mit den Handflächen nach oben. »Antonio, die Sache geht nur sie und mich etwas an. Es besteht keine Notwendigkeit, andere mit hineinzuziehen.«
»Niemand ist allein auf der Welt, Seňor. Das wissen sie doch.« Antonios bernsteinfarbene Augen fixierten ihn, während er langsam auf Bonita und Jenny zuging. »Ein Mann kann durch seine privaten oder geschäftlichen Beziehungen beeinflußt werden.«
»Manipuliert werden, meinen Sie.«
Antonio lächelte. »Mein Englisch ist nicht so gut wie Ihres, Seňor.
Perdoname
.«
»Schluß mit dem Unsinn, Antonio. Was wollen Sie?«
»
Madre de mentiras
. Sie haben die Geduld einer Motte.«
»Sie und Heitor haben meine Geduld erschöpft«, sagte Croaker. »Aber es bleibt Ihnen nicht mehr viel Zeit,
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