Schwarze Heimkehr
Tagebuch habe ich erfahren, daß Trey Merli Dr. Ronald Stansky kennt, ihren Arzt. Sie hatte eine Adresse auf Hibiscus Island niedergekritzelt. Als ich dort ankomme, ist alles vorbereitet, inklusive einer Reihe von Hemden aus der Chemischen Reinigung von Jiffy Tyme. Aber statt Pappe finde ich drei bestimmte Patientenakten in den zusammengefalteten Hemden. Ich nehme an, daß dieser Ort kein Zuhause, sondern eine Inszenierung für mich war.« Croaker nahm einen weiteren Schluck von seinem Martini. »Dann ist da noch die Sache mit dem Grab.«
Majeurs finsterer Blick traf den Croakers im Spiegel hinter der Bar. »Mit welchem Grab, Sir?«
»Dem von Theresa Marquesa Barbacena.«
Barbacena hält sich praktisch nie in den Vereinigten Staaten auf. Warum um alles in der Welt sollte sich das Grab seiner Frau in Südflorida befinden?«
Majeur nickte. »Dann stimmt es also, was man sagt. Daß sie ein verdammt guter Schnüffler sind. Natürlich war das nicht ihr Grab, sondern auch nur eine Inszenierung. Ja, ich habe die Anhaltspunkte für sie vorbereitet: das falsche Grab, den Mietwagen - das war die Spur, die zu Trey Merli führte. Und in Trey Merlis Haus konnte ich die Patientenakten von Sonia, Vonda und Ihrer Nichte für sie zurücklassen.«
»Aber warum? Sie arbeiten für die Bonitas.«
Majeur starrte in die klaren Tiefen seines Martinis. Dann kippte er seinen Drink schnell hinunter und warf Geld auf die Theke. »Hier wird's etwas eng.«
Sie gingen ins Foyer, stiegen die Stufen hoch und schritten durch eine Glastür ins Freie. Die Luft war wegen der Feuchtigkeit stickig. Die samtene Abenddämmerung hing wie Spinnweben in den Wipfeln der Palmen. Um den Swimmingpool herum glitzerten Lichter. Ein paar Kinder, die bis zur Taille im Wasser standen, bespritzten sich gegenseitig, während eine ziemlich junge Frau mit knapp geschnittenem Bikinioberteil sie nachsichtig beobachtete. Ansonsten war die Gegend um den Swimmingpool herum verwaist.
Die beiden Männer schlenderten gemächlich weiter, bis sie die rhythmischen Geräusche der Brandung hörten.
Majeur trug den Aluminiumkoffer wie ein Vertreter für neue Fenster. In der Nähe des Deiches stellte er den Koffer zwischen sie. »Ich will Ihnen jetzt etwas gestehen,
Seňor. Yo hablo con el corazon en la mano
, wie man sagt.« Ich spreche aus dem Herzen. »Man wächst auf, ergreift einen Beruf und trifft seine Entscheidungen, was die Karriere betrifft. Ob gut oder schlecht, man hat sie getroffen. Man lernt eine Frau kennen, verliebt sich und heiratet. Mit anderen Worten: Es handelt sich um Routine, um einen Rhythmus. So ist das Leben.«
Er zog eine Zigarre hervor, nahm sie aus der Hülle, schnitt sie ab und steckte sie an. »Aber dann geschieht? etwas, Seňor. Und dieses Etwas ist so unerklärlich wie unerwartet. Sie sehen jemanden, und in Ihnen öffnet sich die Tür zu einem Raum, den es immer schon gegeben hat, nur waren sie sich dessen nicht bewußt. Ohne daß sie es wissen, Seňor, führt sie dieser Mensch in eine neue Sphäre. Ihr altes Leben schwindet dahin wie eine Fotografie, die ins Feuer geworfen wird. Und dann scheint. ein anderes, magisches und mysteriöses Leben zu beginnen.«
Croaker dachte daran, wie Majeur seinen Ehering abgenommen und in South Beach in die Brandung geworfen hatte.
»So ging es mir, als ich Rachel sah, Seňor. Ich beobachtete sie mit diesem Schwein namens Stansky, und mein Herzschlag setzte aus.« Er wandte sich um und blickt Croaker in die Augen. »
Escuchame, Seňor.
Hier ging's nicht um Geilheit. Die Lust ist etwas Oberflächliches und Momentanes und verflüchtigt sich beim ersten Windstoß wie Rauch. Nein, ich spreche von etwas Dauerhaftem und Grundsätzlichem. Hier geht es darum, wie ich mich selbst gefunden habe. Als ich Rachel sah, sah, was sie tat un was Stansky mit ihr anstellte, wußte ich, wie verloren und allein ein Mensch sein kann. In diesem Augenblick habe ich mich selbst in ihr erkannt. Mir wurde bewußt, wie einsam ich in meiner Ehe war. Ich wachte am nächsten Morgen auf und blickte auf den Menschen, der neben mir im Bett lag. Ich sah eine Frau aus einer prominenten Familie, mit einem bedeutenden Stammbaum, für die ich keinerlei Gefühle empfand. Ich hatte sie nur geheiratet, um meine Vater einen Gefallen zu tun. Ich dachte an Rachel. Sie wurde der Spiegel, in dem ich meine eigene Seele erkannte. Da wußte ich, daß ich etwas tun mußte, um sie zu retten… gewisser Weise war das der erste Schritt, mich selbst zu
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