Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Heimkehr

Schwarze Heimkehr

Titel: Schwarze Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric van Lustbader
Vom Netzwerk:
Problem ist, daß das schon einmal jemand versucht hat. Die Zwillinge konnten den
sukia
umbringen, weil er Mitleid mit ihnen hatte.«
    Stone Tree hob eine Faust. »Gewalt erzeugt nur mehr Gewalt.« Er hob die andere Hand und neigte seinen Kopf. »Höre auf alles und entscheide selbst, was Wahrheit und was nur Wahrnehmung ist.«
    Croaker hätte fast gelacht. »Ein guter Rat. Seit ich es mit den Bonitas zu tun habe, haben mich fast alle Leute angelogen, denen ich begegnet bin.«
    »Überrascht dich das, Walking Ibis?« Stone Tree hob die Hände. »Die Welt ist eine Lüge, und dahinter pulsiert die Wahrheit wie das Licht auf dem Meeresboden. Die Geister reden, wenn ich mit ihnen in Verbindung stehe. Das Dasein beschränkt sich nicht auf die Welt, die wir mit unseren Augen sehen. Wir sind nur dann aufgespießte Schmetterlinge, wenn wir es zulassen.« Er wandte rasch den Kopf ab. Croaker hörte nur das Rauschen des Windes in den Platanen und im Schilf, daneben den heftigen Regenschauer. »Geh jetzt«‚ sagte Stone Tree. »Du glaubst, daß dieser Sturm tödlich ist«, fügte er hinzu, während Croaker aufstand. »Aber laß dich nicht täuschen, Walking Ibis. Für dich geht es um etwas ganz anderes.«
    Croaker schlich leise durch den Wald. Der strömende Regen durchdrang häufig das Laubdach der Mangroven. Nach dreißig Metern war Stone Trees Hütte nicht mehr zu sehen. Links und rechts ragten die Mangroven wie gespenstische Finger auf. Sie bewegten sich im Wind.
    Croaker hielt neben einem Manzanille-Baum inne, weil er sich für einen Augenblick unsicher war, welchen Weg er einschlagen sollte. Er wurde erneut von dem Gedanken überwältigt, wie sehr ihm die Dunkelheit vertraut war. In New York hatte er gearbeitet, während die anderen Menschen geschlafen hatten, und sie hatten besser geschlafen, weil er gearbeitet hatte. Doch wenn man vorwiegend nachts lebte, passierte etwas Seltsames: Man verlor die Orientierung.
    Der normale Lebensrhythmus der Menschen, die morgens aufwachten, um acht frühstückten und um neun an ihrem Arbeitsplatz saßen, war außer Kraft gesetzt, und während sich die Verbindungen zur Umwelt langsam auflösten, vertraute man sich selbst immer mehr.
    Diese Erfahrungen, glaubte er, waren nützlich. Während des Tages gab es ein permanentes Brummen - eine Kakophonie wahnwitziger Bewegungen, die die Menschen wach hielt und dafür sorgte, daß sie sich auf ihre unmittelbaren Probleme konzentrierten. Wenn sie nachts der Schlaf überkam, wurde dieses Geräusch auf ein Murmeln reduziert. Dann erhob sich der Rhythmus dessen, was Stone Tree die ›umfassendere Realität‹ nannte, wie die gespenstischen Geräusche im Wald.
    Croaker spürte, daß Heitor sich in der regnerischen Nacht verbarg. Heitor war ein Jäger, und nur darum ging es, seit sie sich zum erstenmal begegnet waren. Der Jäger und die Beute befanden sich beide in der Wildnis. Was hatte Heitor gesagt? Man versteht einen Mann erst dann, wenn er allein ist.
    Ein Windzug trug ihm einen Ozonhauch zu. Er pflückte mit seiner Kunsthand einen kleinen grünen Apfel und machte sich unter dem Laubdach des Waldes davon. Der Donner rollte. Der Himmel riß auf, und man sah einen kalten blauweißen Blitz. Der Sturm machte es unmöglich, einer Fährte zu folgen. Der Regen hatte nicht nur jede Spur weggeschwemmt, sondern auch jeden Geruch aus der Luft gewaschen.
    Croaker spürte immer deutlicher, daß er beobachtet wurde. Er bewegte sich vorsichtig durch die wilden Feigen und erkannte zwei bernsteinfarbene Augen im Schilf. Dann hatte er das Ende des Waldes erreicht. Er war ganz von Mangroven umgeben - an Land waren sie weiß, am Rande des Wassers schwarz und dort, wo sie auf das Wasser hinausragten, rot. Er schnalzte mit der Zunge, und die bernsteinfarbenen Augen verschwanden.
    Er tauchte zwischen den Mangroven unter und folgte Heitor. Er war jetzt dicht genug an ihm dran, um den Schatten und die kleinen Bewegungen des Laubes und der Gräser, die durch den vorbeieilenden Körper hervorgerufen wurden, sehen zu können. Er machte Boden wett und sah, daß sie sich parallel zum Rand des trockenen Landes bewegten. Er wußte, daß sich der Wasserweg nach dreihundert Metern nach innen krümmte und daß das Mangroveninselchen dort nur noch eine kleine Landenge war.
    Er bewegte sich darauf zu und sprang genau in dem Moment vor den Schatten, als er das Ufer erreicht hatte. Der Schatten wandte sich um und stellte sich auf die Hinterbeine, während Croaker näher kam. Er

Weitere Kostenlose Bücher