Schwarze Heimkehr
alles für Donald und seine Glitzerwelt. Croaker unterdrückte eine angewiderte Bemerkung.
»Richie«, sagte Matty. »Er war so gut zu mir.« Sie legte die Finger an die Lippen, als ob sie sich zwingen müßte fortzufahren. »Das Problem war, daß ich ein Kind von Richie erwartete.«
»Was?«
Es entstand ein kurzes Schweigen. »Er hat mir angeboten, mich zu heiraten, aber ich habe abgelehnt. Ich liebte ihn nicht und wußte nicht, was er sich vorstellte. In dieser Beziehung ging es nur um Sex. Wir hatten unseren Spaß, das war alles. So etwas passiert, Lew.«
»Aber nicht meiner Schwester.«
»Ich wußte, daß du das sagen würdest.« Sie seufzte. »Es ist mir aber passiert.« Ihre Stimme klang schleppend. Sie hob die Hand und preßte sie einen Augenblick lang gegen die Stirn. »An dich konnte ich mich ja nicht wenden. Wie alt war ich damals - neunzehn? Noch drei Jahre College. Ich stand auf der Bestenliste meines Jahrganges und wollte Karriere machen, aber hätte dich das irgendwie gekümmert? Du hättest die Heirat gewollt, und wir wären elend drangewesen. Oder du hättest Richie die Eingeweide aus dem Leib geprügelt, was er nicht verdient hätte. Außerdem schämte ich mich, immerhin sind wir katholisch. Du wirst dich ja wohl daran erinnern, wie streng unsere Mutter in religiösen Fragen war.«
Sie starrte auf ihre Hände. »Ich war in Panik und fühlte mich wie in einem Käfig, dessen Tür zufällt. Richie und ich beschlossen, daß es am besten wäre, wenn er aus der Gegend verschwinden würde. Das war der einfachere Teil. Er hat jenseits des Flusses in Hoboken einen Job gekriegt und wollte dorthin ziehen. Was mich betrifft ….« Ihr ruheloser Blick strich über die Baumwipfel. »Ich mußte einen Ort außerhalb von Hell's Kitchen finden. Eine Klinik und einen Arzt.«
Croaker hielt den Atem an. Wie konnte seine Interpretation ihrer gemeinsamen Vergangenheit so fehlerhaft gewesen sein? Die Wahrheit hat die grausame Angewohnheit, jeden zu überraschen. »Du hast also abgetrieben.«
Matty nickte. »Diese Entscheidung hat mir fast das Herz aus dem Leib gerissen. Ich habe mich lange Zeit befleckt gefühlt wie eine Sünderin. Ich brachte es nicht über mich, einen Fuß in eine Kirche zu setzen, und hatte das Gefühl, mich von Gott abgewendet zu haben. Aber ich hatte keine andere Wahl.«
Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen. Er wartete. Sein Herz klopfte sehr schnell.
»Danach hatte ich das Gefühl, nicht mehr nach Hause gehen zu können. Ich hätte die Fragen nicht ertragen, die du mir gestellt hättest. Ich kannte dich, Lew. Du hättest mich einmal kurz angesehen und gewußt, daß etwas nicht in Ordnung war.«
»Ich habe versucht, dich zu finden.«
Sie nickte. »Du konntest mich nicht finden. Ich besaß gerade genug Geld von meinem Stipendium, um ein paar Wochen in einem Hotel bleiben zu können. Als das Geld zu Ende ging, fand ich einen Job als Schreibkraft in einer Anzeigenagentur. Zum erstenmal in meinem Leben war ich glücklich. Ich fühlte mich frei.«
»Du warst uns ja los«, sagte Croaker. »Deine Familie.«
Matty schüttelte den Kopf. »Eher die Wohnung. Sie war so düster und deprimierend. Mein Gott, Lew, wie hast du es nur ausgehalten, dort so lange zu leben?«
»Unsere Eltern waren da«‚ antwortete er. »Es war mein Zuhause.«
Matty wandte den Kopf ab. »In der Agentur habe ich Donald kennengelernt.« Ihre Stimme klang jetzt versonnen. »Ich machte Überstunden, und es hat mir nichts ausgemacht. Ich versuchte mein Gewissen zu verdrängen, aber nach einer Weile bemerkte ich, daß ich so glücklich war, daß mich die Schuldgefühle nicht länger quälten.« Sie strich mit einer Hand über die Chromleisten des Thunderbirds. »Sechs Monate, nachdem ich den Job angetreten hatte, kaufte Donald die Agentur. Damals war ich schon befördert worden. Man hatte mir eine Gruppe halbwegs zahlungskräftiger Kunden zur Betreuung anvertraut. Aber an dem Tag, als die Verträge unterzeichnet wurden, hat Donald alle hochbezahlten Führungskräfte samt ihren dreistöckigen doppelten Martinis gefeuert. Er stellte aus den verbleibenden Mitarbeitern ein Übergangsteam zusammen, um das Unternehmen und die Belegschaft zu bewerten. Auch ich gehörte zu diesem Team und habe drei Monate lang täglich mit ihm zusammengearbeitet. Ich hätte nie gedacht, daß er das bemerken würde, aber ich hatte mich geirrt. Er hat mir später erzählt, daß er vom ersten Tag an ein Auge auf mich geworfen hatte.« Sie wandte sich
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