Schwarze Jagd - Wooding, C: Schwarze Jagd - Black Lung Captain (Book 2)
er würde sterben, durch den Kopf geschossen war.
Was werde ich hinterlassen?
Ihm fiel nichts ein. Kein Besitz, keine Familie. Wenn er jetzt ausgelöscht wurde, welche Beweise würde es dann dafür geben, dass er gelebt hatte? Was war er wert, abgesehen von ein paar besoffenen Trinksprüchen einer loyalen Crew? Es gab sechs Menschen in seinem Leben, die er
als Freunde betrachten konnte, und sie waren bestenfalls ein bunt zusammengewürfelter Haufen.
Auf einmal schien ihm das nicht mehr zu genügen.
Was ist mit Retribution Falls, hm?, fragte er sich. Damals hast du praktisch die Koalition gerettet!
Mit einer leisen Aufwallung von Stolz dachte er an die Ereignisse des vorletzten Winters zurück, als man versucht hatte, ihm den Mord am Sohn des Erzherzogs in die Schuhe zu schieben. Bei seinem Versuch, sich aus dieser üblen Lage herauszuwinden, hatte er die Marine schließlich zu einer geheimen Piratenarmee bei Retribution Falls geführt und dadurch einen Staatsstreich gegen den Erzherzog verhindert.
Aber auch das kam ihm jetzt nicht mehr so großartig vor, wenn er ehrlich war. Die Koalition interessierte ihn nicht die Bohne. Ein Erzherzog war für ihn genauso wie der andere. Er hatte nicht aus edlen Absichten heraus gehandelt, sondern nur seine Haut zu retten versucht. Und außerdem: Die einzigen Leute, die wussten, dass er etwas mit all dem zu tun hatte, waren einige Angehörige der Marine und ein paar Zenturienritter. Das war auch besser so. Wenn die Piratengemeinschaft jemals etwas von seinem ziemlich spektakulären Verrat erfuhr, würde er nicht mehr lange am Leben bleiben.
Es bedeutete nichts. Nichts bedeutete irgendetwas.
Er kippte seinen Grog hinunter. Das Jahr seit Retribution Falls war vergeudet, wie all die Jahre davor. Das schwer verdiente Geld war ausgegeben. Und nun lebten sie wieder von einem Tag auf den anderen und versuchten, genug Dukaten zusammenzukratzen, damit die Ketty Jay in der Luft bleiben konnte. Silo würde sicherlich Ersatzteile für die Schiffsmotoren brauchen. Aber Frey hatte nicht
genug Geld, um welche zu kaufen. Es war ein erbärmlicher Zustand.
Er fragte sich, was wohl geschehen wäre, wenn sie es geschafft hätten, mit dem gesamten Schatz aus Retribution Falls zu entkommen und nicht nur mit dem mickrigen Anteil, der ihm am Ende geblieben war. Hätte er damit vielleicht ein Wirtshaus gekauft? Hätte er sich mit einer Herzensdame niedergelassen und Kinder großgezogen? Oder hätte er alles für Rake-Spiele mit immer höherem Einsatz verschwendet?
Eigentlich war es nicht mal eine Frage.
Sein ganzes Leben lang war er von dem Gedanken besessen gewesen, seine Freiheit zu verteidigen. Die Freiheit von Verpflichtungen und Verantwortung. Er hatte vom Leben eines Freibeuters geträumt, von Reichtümern und Abenteuern. Doch irgendwie flohen ihn die Reichtümer stets, und die Abenteuer, die er erlebt hatte, waren in der Realität alles andere als romantisch gewesen.
Ohne Anker zu leben, hatte seine Folgen. Es war gefährlich leicht, sich treiben zu lassen.
Der Duft von Parfüm unterbrach seine Grübeleien. Er schaute nach links. Auf einem Hocker saß die hübsche Rothaarige, die ihn im anderen Raum beobachtet hatte. Sie strich sich das Haar hinters Ohr und schenkte ihm ein schüchternes Lächeln.
»Hallo«, sagte sie.
Später, als sie zusammen unter den Decken lagen, versuchte er mit aller Gewalt, etwas für sie zu empfinden. Er dachte an die Hoffnungen und Träume, mit denen sie ihn auf dem Weg zu ihrem Schlafzimmer gelangweilt hatte, und bemühte sich, etwas zu fühlen. Das war es doch wohl, was ein anständiger Mann tun würde, oder nicht?
Doch jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah er eine junge Frau mit maisgelbem Haar vor sich, so wie er sie damals gekannt hatte, bevor ihr Leben in Tod und Tragödie umgeschlagen war. Eine Frau, die er beinahe geheiratet hätte, die er jedoch stattdessen zerstört hatte.
Der schlanke Körper der Rothaarigen bewegte sich unter ihm, aber es war Trinica Dracken, die er dort spürte.
VIER
Unangenehmes Erwachen – Grists Angebot – Die Geschichte des Forschers – Ganz schön riskant – Ein knallharter Verhandlungspartner
Jemand rief Freys Namen. Er schnaubte und schnaufte und gab sich alle Mühe, nicht aufzuwachen. Der Geruch von Zigarrenrauch stieg ihm in die Nase, aber er war nicht neugierig genug, um den Grund dafür herauszufinden.
»Käpt’n!« Jez’ Stimme. Zur Hölle mit der Frau! Jedes Mal, wenn sie ihn aufweckte, bedeutete
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