Schwarze Pest aus Indien
bezog er aus Altkleidershops,
und die dreckigen Schuhe paßten zu seiner Rolle als Hausierer.
Jetzt schleppte er einen alten Koffer,
und der Blick aus den kalten Augen zählte auf der Villenseite die Hausnummern
ab.
Reitschul-Straße 11 — das war’s. Ein bejahrter
Knabe wohnte hier, stopfte seine Villa mit Kunstschätzen voll und erfreute sich
seines Alleinseins. Ein ideales Opfer — für einen Einbrecher.
Die Villa lag weit zurückgesetzt von
der Straße. Unter den Buchen im vorderen Teil des Gartens wucherten Farne. Der
schmiedeeiserne Zaun, der das große Grundstück umgab, hatte den Jahrzehnten
getrotzt — aber jetzt einen Anstrich dringend nötig. Die Gartenpforte hing
schief in den Angeln und ließ sich nicht mehr schließen. Das Tor zur
Garageneinfahrt wurde von einer Stahlkette zusammengehalten.
Frese trat durch die Pforte.
Seine schiefgetretenen Absätze drückten
Vertiefungen in den dicken Kiesbelag des Weges. Der Eingang der Villa lag an
der Schmalseite.
Acht breite Steinstufen, die sich nach
oben trapezförmig verschmälerten, führten zur Haustür hinauf. Sie war aus
Eiche, mit Messing beschlagen, hatte eine gewaltige Klinke und — seit einigen
Jahren — ein Sicherheitsschloß. Anstelle der Klingel gab es einen
Messingklopfer.
Frese hämmerte ans Holz.
Mit schiefem Grinsen las er das große
Namensschild, ebenfalls aus Messing. In erhabenen Buchstaben stand dort: EDUARD
PHORTHEIMER jun.
Frese wartete, ob sich was tat. Sein
Blick wanderte. Vom Nachbarhaus sah man nur das Dach. Die Hecke am Zaun hatte
fünf Meter Höhe erreicht und bestand aus Fichten, die keinen Blick durchließen,
zumal sich Kletterpflanzen hineinwoben: Brombeeren, wilder Wein und Zaunrüben.
Ideal!
Freses Grinsen wurde noch schiefer.
Hier konnte er ungestört arbeiten. Nur
zur Straße hin war er ungeschützt. Aber dort spazierten nicht viele, und
Autofahrer waren — wiiitsch! — viel zu schnell vorbei, als daß sie checkten,
daß hier eine Tür geknackt wurde.
Hier?
Bestimmt gibt es hinten ‘ne Terrasse,
überlegte Frese, und wenn ich dort genauso vor Blicken geschützt bin, ist die
Schose noch viel...
„Sie wünschen?“ fragte eine Stimme
hinter ihm.
Lautlos hatte sich die mächtige
Eichentür geöffnet.
Der Ganove fuhr herum.
Da er keinen Hut trug, konnte er ihn
nicht abnehmen, aber seine krumme Haltung wurde noch krummer.
„Guten Tag, mein Herr. Verzeihen Sie
die Störung. Mein Name ist Bilgschöpfl. Ich komme soeben aus Australien zurück,
wo ich lange Jahre als Känguruhzüchter gelebt habe. Leider wurden meine Herden
von der Canberra-Seuche befallen — besonders die Muttertiere. Das führt dazu,
daß in den Beuteln, wo sie die Jungtiere tragen, tödliche Bakterien siedeln.
Kurzum, alle meine Känguruhs verendeten; und nun bin ich zurückgekommen, um
wenigstens einige Felle — von gesunden Tieren, natürlich — an einen
auserwählten Personenkreis zu verkaufen. Die Felle eignen sich vorzüglich als
Bettvorleger oder zum Polstern von Autositzen.“
„Känguruhfelle?“ Eduard Phortheimer
krauste die Stirn.
Hinter seinem Namen stand zwar jun. (Junior = der Jüngere) auf dem Schild. Aber Edu war längst ein Senior, nämlich
Ende Siebzig. Das ,jun.’ führte er lediglich, weil auch sein Vater Eduard
geheißen hatte.
Der Ruheständler sah aus wie ein
pensionierter englischer Offizier: straffe Haltung, knochendürr, silberweißer
Militär-Haarschnitt, Schnauzbart. Seine kernige Gesundheit führte Edu auf die
Kräutertees zurück, nach denen er regelrecht süchtig war. Besonders nach
Hustentees, die er auch im Hochsommer trank.
„Känguruhfelle“, bestätigte Frese.
„Ich brauche keine Felle, guter Mann.“
„Es sind hervorragende Felle. Und nicht
teuer.“
„Mein Haus ist vollgestopft mit Fellen.
Sie stammen aus alten Zeiten, als man noch jedes Raubtier und jedes Großwild
jagen konnte. Ich habe Elefantenfelle im Schlafzimmer, Löwenfelle in der
Bibliothek, Tigerfelle im grünen Salon, Eisbärfelle in der Speisekammer und
Giraffenfelle auf der Galerie. Seit 40 Jahren führe ich einen Krieg gegen die
Motten. Noch mehr Felle lehne ich ab. Außerdem halte ich Känguruhfelle für
gefährlich.“
„Es sind keine Bakterien von der
Canberra-Seuche drin.“
„Das meine ich nicht, sondern die Beuteltasche.
Wie leicht gerät man da mit dem Fuß hinein, wenn das Fell als Teppich benutzt
wird. Der Beutel wird zur Fußangel. Und schon finde ich mich knochenbrüchig im
Krankenhaus wieder.“
Alter
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