Schwarze Pest aus Indien
mir vorbei. Wir sind im selben Schachclub. Außerdem
interessiert sich Claus Heilmann für Paperweights. Wußtest du, daß er sammelt?“
„Höre ich zum ersten Mal“, erwiderte
Karl. „Dann gute Besserung. Tschüs, Herr Phortheimer.“
Als die TKKG-Bande über die
Zubringerallee radelte, kam ein hellblauer, italienischer Kleinwagen entgegen.
Die vier wußten, daß er dem
Abitur-Klassen-Schüler Udo Wollitzer-Birkhahn gehörte.
Deshalb beachteten sie den Wagen auch
gar nicht weiter.
Nur Tim sah im letzten Moment, wer da
auf dem Nebensitz thronte: Claudia Tümmel.
„Habt ihr sie gesehen?“ rief er, als
der Wagen vorbei war. „Der Schmachtlappen nimmt sie mit in die Stadt. Der
versucht es wirklich bei jeder. Die Tümmel ahnt natürlich noch nicht, daß ihr
Knobel käseweiß und vergiftet im Gefängnishospital liegt. Sicherlich will sie
ihn irgendwo treffen. Aber da kann sie lange warten. Für uns ist das günstig.“
Auf dem Internatsgelände herrschte
Stille.
Die meisten Schüler waren in der Stadt.
Wer Wochenendurlaub hatte, war schon am
Vorabend nach Hause gefahren.
Das galt auch für die Pauker. Nur jene,
die Dienst hatten, mußten ausharren. Assessor Keismar, das Moderlieschen, war
als EvD eingeteilt.
Während Gaby, Karl und Klößchen beim
Fahrradschuppen warteten, sockte Tim mit Unschuldsmiene über den Hof.
Vor dem Angestelltenhaus knotete er
mindestens zwei Minuten an seinem rechten Schnürband herum.
Dann war er sicher, daß nirgendwo
jemand hinter dem Fenster luchste.
Tim betrat das Angestelltenhaus und
schloß die Tür hinter sich.
Claudia hatte frei. Doch das galt nicht
für das gesamte Küchenpersonal. Wie stand’s mit Helga, Erika, Silke, Adelinde
und den Köchinnen, die — soweit unverheiratet — ihre Apartments im dritten
Stock hatten?
Er horchte.
Irgendwo spielte ein Radio. Aber er
konnte nicht feststellen, hinter welcher Tür.
Er lief die Treppe hinauf, sah in den
Flur, wo er letzte Nacht herumgepirscht war, steuerte auf Zimmer Nr. 9 zu und
horchte abermals. Dann drückte er auf die Klinke.
Es war nicht üblich, sein Zimmer
abzuschließen. Die offenen Türen galten als Beweis für gegenseitiges Vertrauen.
Auch Claudia hielt sich daran.
Tim trat ein. Der Raum roch stark nach
Parfüm. Unordnung, wohin man sah. Die Küchenhelferin hatte eine Schwäche für
Kinoplakate. Eine Wand war damit tapeziert. Tim kannte keinen der Filme.
Ohne die Unordnung durcheinander zu
bringen, begann er zu suchen.
Als Versteck für das Paket boten sich
an: zwei Schränke, die Bettkastenschubläden, eine Kommode und ein großer
Wäschekorb mit Deckel.
Nach zehn Minuten war Tim sicher, daß
sich das Paket nicht in diesem Raum befand.
Er ging zu seinen Freunden zurück.
„...und habe ich auch nichts gesehen“,
teilte er mit, „das auf eine Verbindung zu Knobel schließen läßt. Allerdings —
daß sie sein Foto auf den Nachttisch stellt, ist wohl nicht zu erwarten.“
22. Eine Riesenenttäuschung
Paul Frese, der Drücker, schleppte
seine lange, krumme Gestalt durch den Vorgarten bis zum Hauseingang an der
Schmalseite.
Wer den ausgemergelten Typ sah, hätte
ihn für einen Hausierer gehalten — denn den alten Koffer trug er wie immer in
der Hand.
Frese sah sich kurz um, lief dann zur
Rückfront der Villa und war jetzt allen Blicken entzogen.
Er spähte durch mehrere Fenster,
knackte die Terrassentür und nahm seinen Gummiknüppel — den er lieber benutzte
als einen lederüberzogenen Totschläger — zwischen die Zähne.
Wenn der alte Phortheimer auftauchte,
würde er ihm eins auf die Rübe geben. Natürlich nicht zu fest — nur so, daß er schlief
und beim Abräumen nicht störte.
Frese, der geübte Tageseinbrecher,
bewegte sich lautlos.
Staunend sah er sich im Erdgeschoß der
alten Villa um — staunend deshalb, weil er nicht ein einziges Fell entdeckte,
weder von Elefanten, noch von Löwen, Tigern, Eisbären oder Giraffen.
Also hatte der alte Knacker gelogen.
In dem Raum neben dem Wintergarten
stieß Frese auf die Paperweight-Sammlung.
Verständnislos beglotzte er, was da in
Vitrinen und Glasschränken lag. Er hatte eine vage Vorstellung, worum es sich
handelte, wußte aber nichts von dem Wert.
Ein Glasklumpen, in den schwarze Rosen
eingebettet waren, hatte ein kleines Schränkchen für sich allein, war
anscheinend besser als seinesgleichen, folglich der wertvollste.
Frese nahm den Briefbeschwerer heraus und
wog ihn in der Hand.
Irgendwo im Obergeschoß klingelte
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