Schwarze Piste
2008 sollte es zu Meinungsverschiedenheiten über das Geld kommen. Sophie wollte damit Tierschutzprojekte unterstützen, unter anderem ihren Hof, denn das Geld aus ihrer Erbschaft ging zur Neige. Jörg war strikt dagegen, Geld für Tiere auszugeben, solange Menschen hungerten. Daraufhin brach Sophie eine Diskussion vom Zaun, wieso Jörg bis heute die Alleinverfügungsgewalt über seine Konten und das Geld – nach Abzug bisheriger Zuwendungen immer noch sechs Millionen Euro – hatte und nicht daran dachte, die Passwörter seinen Komplizinnen mitzuteilen. Genau das sei der Grund, sagte Jörg darauf: Er sei der Einzige, der garantieren könne, dass bestimmte Projekte nur nach gemeinsamem Beschluss unterstützt würden. Nachdem Sophie Begehrlichkeiten gezeigt hatte, dachte Jörg nicht im Traum daran, ihr Zugang zu den Konten zu verschaffen.
Während Jörg Immerknecht am Laptop darauf wartete, dass sein Kontostand auf den Cayman Islands um zehn Millionen Euro stieg, kam Sophie Kramm die Treppe herunter und hielt ein paar Manolo-Blahnik-Schuhe in der Hand. »Sieh dir das mal an«, sagte sie zu Jörg. Er kannte die Marke, denn auch seine Frau kaufte sie gern, um ihr Leben als Desperate Housewife erträglicher zu machen.
Jörg hielt Krugger die Schuhe unter die Nase. »Ziehen Sie die heimlich selber an, oder wem gehören die?«
»Die … die gehören einer Freundin. Die hat sie hier vergessen.«
»Vergessen? Solche Schuhe vergisst man nicht. Außerdem ist da oben ein ganzer Schrank voll«, sagte Sophie.
Jörgs Interesse war geweckt. Er betrachtete die Fotos in der Computerecke, die immer die gleiche junge Frau zeigten. Die Frau war zu attraktiv für Krugger, selbst wenn man sein Geld berücksichtigte. »Ist das Ihre Freundin?« Jörg zeigte auf eines der Fotos.
Krugger nickte. »Ex-Freundin«, sagte er zaghaft.
»Und die lässt ihre Manolo Blahniks hier zurück?«
»Die hab ja ich gekauft.«
»Sie haben sie ihr geschenkt. Wieso hat Ihre Freundin die Schuhe nicht mitgenommen?«
Krugger schwitzte. »Sie haben doch jetzt das Geld. Warum gehen Sie nicht einfach? Wir werden nie wieder miteinander zu tun haben.«
Jörg sah auf den Schirm seines Laptops. »Noch haben wir das Geld nicht. Also? Was ist mit dieser Frau?«
Krugger war wie paralysiert. Er hätte eine simple Geschichte erfinden müssen. Doch unter dem gegebenen Stress konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Feurige Kreise tanzten vor seinen Augen, und ihm wurde schwindelig. In diesem Moment kam Annette von der Terrasse herein. Sie hatte sich den Garten angesehen, um sicherzugehen, dass niemand die Vorgänge beobachtete. Aber der Sichtschutz war vollständig und der nächste Nachbar weit weg. Sie sah Kruggers verzweifeltes Gesicht. »Ist was passiert?«
»Wir fragen uns gerade, was mit dieser Dame ist.« Jörg deutete auf die Fotos in der Computerecke. »Herr Krugger will nicht mit uns reden.«
»Die gibt’s auch im Garten«, sagte Annette.
Sie standen vor dem steinernen Kreuz, das in einer Art Nische im Gebüsch stand und auf dem ebenfalls ein Foto der jungen Frau angebracht war. Die Fläche vor dem Kreuz schien frisch aufgegraben zu sein. »Ist das ein Grab?«, fragte Jörg.
»Ja«, gab Krugger mit versagender Stimme zu. »Sie ist … sie lebt nicht mehr.«
»Es gibt in Deutschland keine Gräber in Gärten – außer für Hunde.« Krugger schwieg und sah mit hängenden Armen zu Boden. »Wo sind die Gartengeräte?«
Fünf Miuten später schaufelte Krugger die Erde vor dem Steinkreuz weg, bis eine Hand zum Vorschein kam. Annette sprang einen Meter zurück. »Um Gottes willen! Was ist das?« Krugger hatte innegehalten.
»Weitergraben«, befahl Jörg. Nach und nach legte Krugger unter den entsetzten Blicken der Frauen die halbverweste Leiche von Franziska Michalski frei. Jörg machte mit seinem neuerworbenen iPhone mehrere Aufnahmen von der Leiche und beorderte Krugger ins Haus. Dort lud er die Aufnahmen auf seinen Laptop und schickte sie an seine eigene Mail-Adresse. »Ich habe keine Ahnung, was Sie da für eine Scheiße angerührt haben. Aber ich denke, wir sind uns einig, dass wir alle diesen Tag aus unserem Gedächtnis streichen. Ist das klar?«
Krugger nickte.
»Ich bin mir nicht sicher. Sagen Sie doch mit Ihren Worten, was klar ist.«
»Sie«, Krugger schluckte, »gehen nicht zur Polizei, und ich geh nicht zur Polizei.«
»Klingt nach einem Deal.«
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B aptist Krugger saß im Vernehmungsraum der Polizeistation. Seinen
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