Schwarze Piste
grüßte und reichte ihr die Hand.
»Grüß Gott«, sagte er mit bayerischer Färbung. »Ich bin der Frank.«
»Grüß Gott«, sagte Daniela und schaute Frank unsicher und fragend an. »Was kann ich für Sie tun?«
Frank sah sich um. »Des is also der Gnadenhof?«
»Ja«, sagte Daniela. »Wir machen hier aber keine Besichtigungen.«
»Nein, nein«, sagte der Mann und lachte. »Ich bin net zum Besichtigen hier. Ich würd hier gern arbeiten.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ich hab Erfahrung. Bin am Bauernhof aufgewachsen. Mir ham auch Rösser gehabt. Schöne Haflinger. Zu Leonhardi bin ich immer mitgegangen. Und im Winter hamma in Rottach beim Schlittenrennen mitgemacht.«
»Das ist schön, dass Sie mit Pferden aufgewachsen sind. Aber ich kann leider niemanden anstellen.«
»Ich will kein Geld.«
»Sie wollen hier freiwillig arbeiten?«
»Genau.«
Daniela betrachtete den Mann eine Weile. Er entsprach in keiner Weise dem Typus Mensch, der freiwillig auf einem Gnadenhof arbeitete. Beginnend damit, dass er ein Mann war und nicht von seiner Frau oder Freundin mitgebracht worden war. »Sind Sie arbeitslos?«, fragte sie schließlich.
»Nein. Warum fragen Sie?«
»Verstehen Sie’s nicht falsch. Aber es kommt manchmal vor, dass Leute hier arbeiten wollen, die … Probleme mit sich selber haben. Die das hier als Therapie betrachten. Ich sag nicht, dass Sie so jemand sind. Aber ich weiß immer gern die Gründe, warum jemand sich für die Arbeit hier interessiert.«
»Versteh ich«, sagte Frank und schwieg.
»Also? Was ist es bei Ihnen?«
»Ich mag Tiere.«
»Aber Sie haben doch sicher was anderes zu tun?«
»Ich hab was geerbt. Eigentlich bin ich gelernter Elektriker. Dann hab ich lang bei einem Sicherheitsdienst gearbeitet. Und jetzt hab ich genug Geld, dass ich nicht mehr arbeiten muss. Jetzt mach ich nur noch, was mir Spaß macht.«
»Sie sind Elektriker?«
»Wenn Sie hier was Elektrisches zum Montieren haben – kein Problem. Ich kann alles anschließen, Leitungen verlegen, Steckdosen montieren …«
Danielas Misstrauen schmolz dahin. Ein Freiwilliger ohne Probleme, mit viel Geld und einer Ausbildung als Elektriker – das war der Sechser im Lotto. Fast zu schön, um wahr zu sein. »Wann können Sie anfangen?«
»Jetzt«, sagte Frank.
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26
J obst Tischler war der Herr des Ermittlungsverfahrens, jedenfalls wenn es geeignet war, ein gewisses Medieninteresse zu wecken. Genau genommen, war die Staatsanwaltschaft die Herrin des Ermittlungsverfahrens. Jobst Tischler als ihr Vertreter hatte das aber so sehr verinnerlicht, dass Institution und Mensch in ihm untrennbar verschmolzen waren. Das deutsche Justizsystem funktionierte in Tischlers Augen so, dass die Staatsanwälte vor den Kameras die Ermittlungserfolge verkündeten, während die Polizei als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft für die Pannen verantwortlich war. Einen großen Teil seiner Energie verbrauchte Tischler wie alle nach oben strebenden Leute damit, Schuldige zu finden – was ja in gewisser Weise der Daseinszweck eines Staatsanwalts war.
Die erste Sitzung der neu eingerichteten »Soko Wallbergmorde« fand um Viertel nach drei statt. Tischler war eigens aus München angereist und hatte dafür eine Pressekonferenz sausen lassen, bei der es um den Mord an einem Telenovela-Schauspieler ging. Seine Chefin, die Oberstaatsanwältin, würde ohnehin die Gelegenheit nutzen, ihr eigenes Gesicht in die Kameras zu halten. Er wäre wie ein Depp zwei Stühle neben ihr gesessen und hätte in Akten geblättert, um Wichtigkeit vorzutäuschen. Da waren zwei skurrile Morde am Tegernsee verlockender.
Nachdem Wallner die Beamten der Sonderkommission begrüßt hatte, in Sonderheit diejenigen, die von außerhalb des Landkreises dazugestoßen waren, bedeutete ihm Tischler zappelig, dass er das Wort ergreifen wolle.
»Die meisten kennen mich«, sagte Tischler und schob die Ärmel seines Jacketts nach oben, denn seine Arme waren für Tischlers Konfektionsgröße ein wenig zu kurz geraten. »Ich bin kein Freund von großen Worten. Was ich sagen will, ist schnell gesagt: Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit und bin sicher, dass wir bald Ermittlungserfolge vorweisen werden. Herr Wallner ist als hervorragender Polizist bekannt. Und so denke ich, werden wir auch schnell die Zeit wieder hereinholen, die wir dadurch verloren haben, dass zunächst in Richtung Suizid ermittelt wurde. Beziehungsweise eben nicht ermittelt wurde. Nun – ich gebe zu, ich hatte
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