Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
mich bei Ihnen bedanken. Der Kerl wollte … er hat …“
Sie kam nicht weiter, weil sie plötzlich, ohne es zu wollen, zu schluchzen begann. Es musste der Schreck sein. Marlow dachte jedoch nicht im Mindesten daran, aus dem Wagen zu steigen, um ihr zu helfen.
„Steigen Sie ein“, knurrte er und wies auf den Sitz neben sich. „Ich fahre Sie in die Cullum Street.“
So scheußlich sie sich auch fühlte – das Angebot gefiel ihr nicht.
„Es geht schon wieder“, nuschelte sie und schniefte. „Es ist nicht mehr weit.“
„Steigen Sie ein, verdammt“, brüllte er sie an. „Oder ich setze Sie höchstpersönlich in die Kutsche. Nun machen Sie schon – ich warte nicht die ganze Nacht.“
Sie sah seine dunklen Augen funkeln und fühlte sich plötzlich unendlich schwach. Kleinlaut stieg sie auf den Wagen, setzte sich zurecht und stellte ihre kostbare Tasche neben sich. Erst jetzt bemerkte sie, dass das Oberteil ihres Kleides über der Brust weit auseinanderklaffte und auch Hemd und Korsage zerrissen waren. Ihre Brüste waren fast ganz entblößt und sie bemühte sich mit zitternden Händen, den Mantel um den Körper zu ziehen. Die Erkenntnis, dass Marlow sie die ganze Zeit so gesehen hatte, war entsetzlich.
Immerhin schien er sich wie ein Gentleman benehmen zu wollen, denn er machte keinerlei spöttische Bemerkungen. Er trieb das Pferd an, und sie schwiegen während der Wagen durch den Nebel rollte. Violet betrachtete Marlow verstohlen von der Seite. Er hatte den Mund schmal zusammengekniffen und schien über eine höchst unangenehme Sache nachzudenken.
„Ob er mich überhaupt zu Grace bringt?“, fuhr es ihr durch den Sinn. „Er kann überall hin mit mir fahren – ich bin ihm vollkommen ausgeliefert. Oh Gott – warum bin ich nur zu ihm in diesen Wagen gestiegen?“
„Ich habe Sie im „Green Palace“ gesehen“, unterbrach er ihre angstvollen Fantasien. „Sie haben lausig gespielt.“
Mit einem Schlag waren ihre Ängste dahin und gerechter Zorn stieg in ihr auf.
„Das war nicht meine Schuld. Das Klavier ist verstimmt.“
Er spähte hinaus in den dichten Nebel, denn sie waren vom Weg abgekommen. Beruhigend redete er auf das Pferd ein und wartete, bis das Tier die Straße wieder gefunden hatte.
„Außerdem waren Sie unpassend angezogen, Miss“, fuhr er fort sie zu bekritteln. „Jedermann kann sehen, dass dieses hübsche Kleidchen für den Sommer gedacht ist und auch nicht der neuesten Mode entspricht.“
Sie errötete tief und wartete, dass er jetzt eine boshafte Bemerkung machen würde. In der Art von: Aber da es Ihre Gewohnheit ist, barbusig zu einem Herrn in die Kutsche zu steigen, kommt es Ihnen auf die Mode vermutlich wenig an, Miss Burke.
Doch er übersprang diesen Punkt.
„Der Mantel, den Sie da tragen“, fuhr er fort. „scheint mir viel eher zu ihrer Freundin zu passen. Vermutlich eine Leihgabe, wie?“
„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht“, gab sie patzig zurück. „Mir gefällt Ihr altmodischer Hut zum Beispiel auch nicht.“
Er steckte das wortlos ein und ging zu einem anderen Thema über.
„Da wir nun so überraschend zusammengefunden haben, kann ich Sie gleich nach dem Ergebnis Ihrer Überlegungen fragen. Nun, wie steht es, Miss Burke? Werden Sie mein Angebot annehmen?“
„Nein, das werde ich nicht, Mr. Marlow. Ich bin nicht Grace – ich verdiene mein Geld auf anständige Weise.“
Er warf ihr einen scharfen Blick zu und sie spürte deutlich, dass er sich innerlich über sie lustig machte.
„Klären wir zunächst eine Sache, Miss“, meinte er gelassen. „Ich bin an Ihnen persönlich nicht interessiert.“
„Wie bitte?“, entfuhr es ihr verwirrt.
Sie sah, wie ein belustigtes Grinsen über sein blasses Gesicht glitt.
„Sie sind nicht mein Typ, Miss Burke. Ich bevorzuge Frauen wie Ihre Freundin Grace. Aber ich bin der Meinung, dass Sie eine verlässliche und intelligente Person sind, der ich mein Haus gern anvertrauen würde. Weiterhin bin ich der Ansicht, dass Sie zu schade dafür sind, um ihre Tage in Gesellschaft von Miss Grace Dolloby zu verbringen, die Sie für Ihre Freundin halten. Und um noch einen dritten Grund anzuführen: Eine junge Frau, die hübsch, zierlich und dunkelhaarig ist, sollte nicht ausgerechnet in Whitechapel wohnen.“
Sie starrte ihn an und versuchte herauszufinden, ob er log oder die Wahrheit sagte. Es klang alles irgendwie verrückt, gleichzeitig trug er seine Ansichten mit beeindruckender Überzeugungskraft vor. Ob er am
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