Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
dass er mich braucht. Und jetzt weiß ich auch wozu: Er braucht mich, um seine schamlosen Lüste auszuleben.
Die Erkenntnis tat ungeheuer weh, doch sie hatte keinen Grund, sich zu schonen. In wenigen Minuten würde sie neben Marlow am Frühstückstisch sitzen und seine hämischen Bemerkungen ertragen müssen. Er hatte alles Recht der Welt dazu, es war ihre eigene Schuld.
Als sie mit klopfendem Herzen ins Speisezimmer trat, fand sie Marlow bereits an seinem Platz sitzend, die Zeitung lag neben ihm zusammengefaltet auf dem Tisch. In seiner Miene war keinerlei Häme zu entdecken, er wirkte viel eher nervös und schien ungeduldig auf sie gewartet zu haben.
„Fünf Minuten zu spät, Miss Burke“, stellte er fest. „Nehmen Sie Ihr Frühstück zu sich – ich werde Ihnen dabei den Tagesablauf erklären. So sparen wir Zeit.“
„Ja, Mr. Marlow . “
Sie war zunächst einmal erleichtert und verspürte den üblichen, gesunden Appetit. Mrs. Waterbrook hatte sich Mühe mit dem Frühstück gegeben, es gab gebratenen Speck und kleine Würstchen, dazu frisch getoastetes Weißbrot und Makrele.
Marlow schob ihr die Speisen hinüber, sah zu, wie sie sich bediente, er selbst hatte sich mit etwas Rührei und einer Scheibe Toastbrot begnügt. Sie aß schweigend und wartete auf Marlows Anweisungen, doch er starrte an ihr vorbei und nagte dabei nervös an den Lippen. Als er den Tee nachgoss, schwappte die Flüssigkeit über und verursachte einen kleinen, gelblichen See auf der weißen Tischdecke. Ärgerlich stellte er die Kanne ab.
„Ich werde mich nach dem Frühstück sofort in meine Kanzlei begeben“, begann er den Tagesplan. „Nach dem Lunch werden wir gemeinsam Einkäufe erledigen. Die Schneiderin wird Ihnen zu diesem Zweck noch einige Sachen liefern.“
Er streifte das Kleid, das sie trug, mit unzufriedenem Blick, denn es stammte aus ihrem eigenen Besitz.
„Heute Abend wird Mr. Forch mit uns essen“, fuhr er fort und zog seine Manschetten zurecht. „Sie, Miss Burke, werden uns bei Tisch Gesellschaft leisten – danach lassen Sie uns allein. Sie können dann schlafen gehen.“
„Ja, Mr. Marlow.“
Er hob den Kopf und sah sie mit kühlen, grauen Augen an, während seine Hand bereits die zusammengelegte Zeitung fasste.
„Haben Sie sich inzwischen mit dem Haushalt vertraut gemacht? Gibt es irgendwelche Fragen?“
Er schien keine ausführliche Antwort zu erwarten, denn er erhob sich von seinem Stuhl, um den Raum zu verlassen. Violet, die zuerst froh gewesen war, sich weder Spott noch Bosheiten anhören zu müssen, ärgerte sich jetzt über die kurze Art, mit der er sie abfertigte.
„Ich hätte allerdings einige Fragen, Mr. Marlow.“
„Ach ja?“
Er hatte schon die Tür geöffnet und wandte sich mit einer ungeduldigen Bewegung zu ihr um.
„Es wäre nötig, einige Reparaturen durchzuführen“, sagte sie, bemüht, seinen gleichgültigen Ton nachzuahmen. „Vor allem der Herd in der Küche. Aber auch die Fenster sind zum großen Teil undicht und die Dielen im zweiten Stock …“
„Hat Ihnen das Mrs. Waterbrook ins Ohr geflüstert“, unterbrach er sie ungehalten.
„Ich habe Augen im Kopf, Mr. Marlow“, gab sie zurück. „Und ich nehme meine Aufgaben als Hausdame sehr genau.“
Ein schwaches Grinsen huschte über sein Gesicht, doch er zwang sich, gleich wieder ernst zu sein.
„Im Prinzip haben Sie recht“, gab er zu. „Aber momentan fehlt mir die Zeit. Später vielleicht.“
„Wie Sie meinen. Eine andere Frage wäre …“
„Was noch?“, knurrte er.
„Gibt es ein Klavier im Haus? Ich würde gern hin und wieder etwas üben.“
Er verzog das Gesicht und machte schmale Augen.
„Sie sind hier nicht als Pianistin angestellt, Miss Burke.“
„Ich werde nur dann üben, wenn alle meine Aufgaben erledigt sind und mir ein wenig Freizeit bleibt.“
„Wenn Sie tatsächlich Augen im Kopf hätten“, sagte er bissig, „dann wäre Ihnen nicht entgangen, dass in der Halle ein Klavier steht. Üben Sie nur, wenn ich nicht im Haus bin. Das Geklimper stört mich.“
Ohne ihre Antwort abzuwarten, stürmte er davon.
Violet blieb steif auf ihrem Platz sitzen und spürte das heftige Verlangen, diesem Unmenschen ihre Teetasse nachzuwerfen. Eben noch hätte sie fast geglaubt, er nähme Rücksicht auf ihre Gefühle und vermied es daher, seinen Triumph auszukosten. Aber von Rücksicht konnte keine Rede sein. Er ließ wahrhaftig keine Gelegenheit aus, sie zu verletzen.
Ich bin sein Spielzeug, dachte sie
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