Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
sie zugerichtet. Der Mörder hat sie am ganzen Körper …“
„Ich möchte das nicht wissen, Mrs. Murdstone“, rief Violet. „Schlimm genug, dass die Polizei dieses Monster immer noch nicht gefasst hat.“
Die Schneiderin bemerkte, dass ihre Kundin offensichtlich zartbesaitet war, und unterließ es daher, die blutrünstigen Schilderungen zu wiederholen, die in der Zeitung gestanden hatten. Eines konnte sie sich jedoch nicht verkneifen.
„Ja, ja – die Polizei! Immerhin hat sie jetzt etwas bekannt gegeben, was man uns bisher verheimlicht hat. Alle Opfer haben zwei tiefe Messerschnitte über dem rechten Handgelenk. Die Handschrift des Mörders. Deshalb haben die Polizisten auch gleich gewusst, dass die junge Frau in Holborn ebenfalls ein Opfer des Whitechapel-Mörders sein muss. Zart und dunkelhaarig war sie auch.“
Violet war bei der Schilderung fast übel geworden. Als jetzt noch ein lautes Klirren aus der Küche erklang, fuhr sie heftig zusammen und musste sich auf einen der Korbstühle setzen. Mrs. Murdstone wurde bedenklich und versuchte, das Gespräch mit diplomatischem Geschick wieder auf ein sanfteres Thema zu lenken.
„Es ist ja auch jeder jungen Frau zu empfehlen, die langen Herbstabende zu Hause im gemütlichen Heim zu verbringen. Wie schön ist es doch, wenn das Kaminfeuer knistert, die Teekanne summt und man im kuscheligen Hauskleid mit einer Handarbeit am Feuer sitzt. Sehen Sie, Miss Burke, ich habe da einige Vorschläge für ein baumwollenes …“
„Danke, Mrs. Murdstone“, wehrte Violet ab. „Für die Bestellungen ist allein Mr. Marlow zuständig – ich habe da keinerlei Mitspracherecht. Wenden Sie sich doch bitte an ihn.“
Mrs. Murdstones Züge sanken herab – für diesmal war wohl nichts zu machen. Doch sie hatte ja noch einige Lieferungen und würde die Gelegenheit sicher wahrnehmen, weitere Wünsche zu erwecken. Miss Burke wäre die erste Kundin in ihrer langjährigen Laufbahn, die in solchen Dingen tatsächlich kein Mitspracherecht gehabt hätte.
„Dann darf ich mich empfehlen, Miss Burke.“
„Bis zum nächsten Mal, Mrs Murdstone.“
Kaum hatte Maggy die Schneiderin zur Tür hinausgelassen, da eilte Violet in die Küche. Dort war Charles mit Besen und Kehrschaufel dabei, die Reste der geblümten Teekanne zusammenzukehren.
„Es ist meine Schuld“, sagte Mrs. Waterbrook, die auf einem Stuhl saß und ganz blass war. „Ich habe nicht aufgepasst.“
Violet sah bekümmert auf die Scherben. Die schöne Teekanne war vollkommen zersplittert – da würde auch kein Kitt mehr helfen.
„Nicht traurig sein, Mrs. Waterbrook“, tröstete sie. „Alles im Leben hat seine Zeit – auch eine Teekanne.“
Am Nachmittag setzte ein schwacher Nieselregen ein, der Marlow jedoch nicht von seinem Vorhaben abhielt. Violet hatte ein Ausgehkleid aus hellgrauem Stoff in Mrs. Murdstones Kartons gefunden, dazu eine lange, gefütterte Jacke aus dem gleichen Material gefertigt, mit schmalem, dunklem Pelzkragen besetzt und einen bezaubernden kleinen Hut, der mit zarten, gefärbten Federn und Schleierband geschmückt war. Marlow stand bereits in Hut und Mantel in der Halle und betrachtete sie ausgiebig, als sie in den neuen Kleidern die Treppe hinunterstieg.
„Na also!“, äußerte er kurz angebunden.
Violet war sich nicht sicher, was er mit „Na also“ ausdrücken wollte. Doch der lange Blick, mit dem er sie angestarrt hatte und das rasche Aufglühen in seinen Augen ließen sie vermuten, dass sie ihm in diesem Aufzug gefiel.
Sie spürte, dass ihr Herz wieder unruhig klopfen wollte, und sie schalt sich innerlich eine dumme Gans. Er trieb sein Spiel mit ihr – sie würde nie wieder so dumm sein, darauf hereinzufallen.
Als sie vors Haus traten, spannte Marlow einen überdimensional großen Regenschirm auf und bot Violet höflich den Arm.
„Ich glaube nicht, dass es klug wäre, wenn sie Arm in Arm mit mir durch die Stadt spazieren, Mr. Marlow“, wehrte sie ab.
Er konnte nicht gleich antworten, denn ein Ehepaar ging an ihnen vorüber, das Marlow freundlich grüßte. Marlow lupfte den Hut und grüßte lächelnd zurück.
„Verflucht, Miss Burke“, zischte er ihr zu, während er fortfuhr zu lächeln. „Tun Sie gefälligst das, wofür ich Sie bezahle.“
„Aber wir könnten doch einen Hansom nehmen.“
„Sie werden jetzt an meinem Arm unter diesem Regenschirm bis hinaus nach Covent Garden spazieren“, befahl er. „Also hängen Sie sich endlich bei mir ein.“
Violet wollte
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