Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
Notenheft und wandte ihr Gesicht den Zuhörern zu.
Forch musste eine Träne aus dem Augenwinkel wischen, dann riss er die Hände hoch und klatschte Beifall. Drüben am Kücheneingang fiel das Personal in den Applaus ein, Charles schlug die Hände so heftig zusammen, dass es einer Serie von Pistolenschüssen glich und Mrs. Waterbrook entfuhr der Satz:
„Der Himmel steh mir bei – das war großartig.“
Auch Maggy spendete jetzt Applaus – sie war auf einem Küchenstuhl in sanften Schlummer gefallen und von dem Beifall geweckt worden.
Violet sah neugierig zu Marlow hinüber, der die Augen geschlossen hielt. Als er ihren Blick spürte, blinzelte er und wandte das Gesicht zur Seite.
„Ziemlich gefühlsduselig, diese Appassionata“, sagte er zu Forch. „Ich finde, man sollte sie heutzutage nicht mehr spielen.“
Violet hatte das Gefühl, als habe ihr jemand einen Eimer mit eiskaltem Wasser übergekippt.
„Keine Sorge, Mr. Marlow“, sagte sie, sich mühsam beherrschend. „Ich werde Sie nie wieder mit meinem Geklimper belästigen.“
Damit stand sie auf und lief die Treppen hinauf in ihr Zimmer.
Warum hatte sie sich nur darauf eingelassen? Sie hätte sich doch denken können, dass dieser Versuch zum Scheitern verurteilt war. Ach, sie hatte so viel von sich preisgegeben in ihrem Spiel – doch alle Gefühle, die sie so offen gezeigt hatte, waren an seiner harten Schale abgeprallt.
Violet saß auf ihrem Bett und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Nur undeutlich vernahm sie einen lauten, zornigen Wortwechsel, der unten in der Halle geführt wurde, dann schlug die Außentür zu. Gleich darauf stürmte jemand die Treppe hinauf, und die Tür der Bibliothek wurde mit ziemlicher Kraft ins Schloss geworfen.
Warum benehme ich mich so albern, dachte sie und wischte sich die Tränen von den Wangen. Ich musste damit rechnen, dass es so kommen würde, weshalb hatte ich nicht die Kraft, ihm eine kühle, ironische Antwort zu verpassen und zur Tagesordnung überzugehen? Stattdessen bin ich wie eine dumme Gans davongelaufen und habe damit auch Forch den Abend verdorben.
Haltung bewahren. Einer adeligen Lady, die von Kind an dazu erzogen wurde, ihre Gefühle zu verbergen, wäre so etwas nicht passiert. Aber sie war nun einmal keine adelige Lady, nicht einmal eine gestandene Hausdame – sie war eine dumme, kleine Klavierlehrerin, die sich verliebt hatte und bitter enttäuscht worden war.
Ja, nun war es sicher. Sie hatte sich in diesen schrecklichen Menschen verliebt. Wäre er ihr gleichgültig, dann hätte sie jetzt allerhöchstens ärgerlich sein dürfen. Aber sie weinte vor Enttäuschung.
Es war jetzt ruhig im Haus, nur aus der Küche war leises Geklapper zu hören – Mrs. Waterbrook war mit dem Abwasch beschäftigt. Violet erhob sich und trat ans Fenster, um in den düsteren Hof zu starren. Eine Straßenlaterne warf ihr diffuses, gelbliches Licht auf das Pflaster und ließ die Wacholderbüsche hinter dem Hof wie unförmige Riesen erscheinen.
Es war hoffnungslos, sie kämpfte gegen Windmühlen. Die Tränen flossen erneut, und sie musste ein Taschentuch aus der Kommode hervorkramen, um sich die Nase zu putzen.
Schritte wurden auf der Treppe hörbar, gleich darauf schlurfte jemand über den Flur.
„Miss Burke?“, rief Maggy von draußen.
„Was ist?“
„Mr. Marlow lässt Sie bitten, zu ihm herunterzukommen.“
Violet erschrak. Vermutlich war er wütend, weil sie davongelaufen war. Auf keinen Fall wollte sie ihm mit rot verweinten Augen gegenübertreten.
„Ich … ich kann jetzt nicht. Sag ihm, ich sei schon zu Bett gegangen.“
Maggy entfernte sich und Violet lauschte mit bangem Herzen auf ihre Schritte, unter denen die hölzernen Treppenstufen knackten und knarrten.
Jetzt würde er erst recht zornig auf sie sein. Vermutlich würde er ihr eine heftige Szene machen und sie würde große Mühe haben, sich zu verteidigen. Was konnte sie ihm schon vorwerfen? Seine Kälte? Seine Unhöflichkeit? Sein mangelndes Taktgefühl? Sie wusste schon im Voraus, dass er darüber nur lachen würde.
Seufzend schloss sie die Gardinen und begann, sich auszukleiden. Da hörte sie, wie unten eine Tür aufgerissen wurde und jemand die Treppe in den zweiten Stock hinauf stieg. Es war nicht Maggys Schritt, der war schwer und langsam. Diese Fußtritte waren elastisch und es hatte den Anschein, als nehme jemand mehrere Stufen auf einmal.
Sie hatte gerade noch Zeit, ihr Kleid wieder zu schließen, da klopfte es an ihrer
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