Schwarze Rosen
braunes, im Moment jedoch wachsbleiches Gesicht wurde von langen glatten Haaren eingerahmt, und ihre dunklen Augen schwammen in Tränen. Ab und zu tranksie einen Schluck Wasser aus einem Glas, das vor ihr auf dem Tisch stand.
Als Erstes gab sie an, dass sie schon seit fast drei Jahren in diesem Haushalt arbeitete, seit ihrer Ankunft in Italien.
Sie habe die Wohnung an diesem Morgen wie immer mit dem ihr anvertrauten Schlüssel betreten.
»Haben Sie etwas angefasst?«
»Nein. Ich weiß, dass man in solchen Fällen nichts anfassen darf; ich sehe mir die Krimiserien im Fernsehen an. Außerdem hatte ich schreckliche Angst, dass da noch einer sein könnte, irgendwo versteckt, der plötzlich über mich herfällt.«
»Haben Sie die Lichter angemacht?«
»Nein, die waren schon an.« Sie sprach immer leiser, senkte den Blick und war wieder kurz vorm Weinen.
»Kopf hoch, trinken Sie noch ein bisschen Wasser! Beruhigen Sie sich und versuchen Sie, sich an irgendwelche Auffälligkeiten zu erinnern!«
Als hätte sie ihn nicht gehört, sang sie stattdessen ein Loblied auf »ihre« Signora: wie schön sie gewesen war, die schönste und netteste Frau der Welt. Sonnig, so sonnig. Und gut. Sie hatte sich sehr für eine Wohltätigkeitsorganisation engagiert, allerdings konnte sich Olivia nicht an den Namen der Organisation erinnern, über die man Kindern in Indien helfen konnte.
»Haben Sie in letzter Zeit irgendeine Veränderung an Signora Innocenti bemerkt?«
»Nein, sie war wie immer. Stets fröhlich.«
»Hatte sie Feinde?«
»Nein.«
»Streit mit jemandem?«
»Nein.«
»Was können Sie mir über eventuelle Besucher sagen?«
»Wenn ich hier gearbeitet habe, war nie jemand bei ihr. Ich komme immer nur für drei Stunden, wissen Sie. Aber an einem Morgen habe ich neben dem einen Sessel im Wohnzimmer Zigarettenasche gefunden. Das kam mir komisch vor …«
»Warum?«
»Die Signora hat nicht geraucht.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja. Ich habe sie nie rauchen sehen.«
»Wann war das mit der Asche?«
Die Frau dachte nach. »Vor etwa zehn Tagen.«
»Fällt Ihnen sonst noch etwas ein?«
»Nein, wirklich nicht.«
»Denken Sie, die Signora könnte Drogen genommen haben?«
»Nein!«
Danach saß Olivia nur noch reglos da und starrte ins Leere.
Surace beendete die Befragung und bat die junge Frau, ehe sie ging, noch um ihre Adresse. So erfuhr er, dass Olivia bei einer Schwester wohnte, die vor zehn Jahren aus Manila gekommen war.
28
»Die Leiche ist kalt«, verkündete der Gerichtsarzt. Piero Franceschini, ein Mann um die vierzig mit schütteren blonden Haaren, arbeitete seit etwas mehr als zwei Jahren am gerichtsmedizinischen Institut von Florenz, wo er bald zum Liebling des Direktors Gustavo Lassotti geworden war.
Er trat ein Stück beiseite, damit der Fotograf von der Spurensicherung die Szene festhalten konnte, ehe sie dem Opfer die Handschellen abnahmen. Danach zog einer der Techniker das Bettlaken weg.
Sie schnappten überrascht nach Luft.
Die Frau war vollständig nackt, und zwischen den leicht gespreizten Oberschenkeln lag eine künstliche Rose mit langem Stiel. Eine schwarze Rose. Die Blüte ruhte auf der Scham. Gori wechselte einen Blick mit dem Staatsanwalt, der befahl:
»Tütet sie mit der gebotenen Vorsicht als Beweisstück ein! Ebenso die Handschellen.«
Eine schwarze Rose. Was hatte das zu bedeuten?
Nun konnte Franceschini endlich mit der Untersuchung der gesamten Leiche beginnen. Er drehte und wendete sie mehrmals mithilfe zweier Carabinieri und sagte dann: »Der Tod ist vor circa acht Stunden eingetreten, entweder am späten gestrigen Abend oder in den frühen Morgenstunden. Und zwar durch Strangulation.«
Maresciallo Gori und Brigadiere Surace hörten ihm aufmerksam zu.
»Alle typischen Anzeichen einer Strangulation sind vorhanden, es besteht kein Zweifel. Sehen Sie selbst«, fuhr er im immer gleichen nüchternen Tonfall fort und zeigte auf die horizontale, einheitlich tiefe Furche, die über die Mitte des Halses verlief.
»Außerdem sehr offensichtlich die Zyanose im Gesicht und die Echymose der Bindehaut«, dozierte er weiter mit tönender Stimme, als befände er sich in einem Hörsaal voller Medizinstudenten bei ihrer ersten Autopsie.
Der Maresciallo trat näher an das Bett heran und beugte sich über das Gesicht der Toten. Die Haut war glatt und gebräunt, zeigte darunter jedoch die typische Totenblässe.Außerdem fielen ihm die kostbaren Ohrringe auf. Er nickte zustimmend, fragte dann aber
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