Schwarze Rosen
und Bestrafung ein Trost für alle wäre, die Giovanna nahestanden. Also für Sie und die Familie natürlich«, antwortete Gori und drückte ihr die Hand.
Bei seinen letzten Worten verzog Sara Genovese den Mund zu einer Grimasse. Dann drehte sie sich um und ging aufrecht durch den breiten Flur, die Augen geradeaus gerichtet und ohne sich um die Blicke der Carabinieri zu kümmern, die nicht rechtzeitig wegsahen. Eine Wolke ihres Parfüms blieb zurück, als die Tür hinter ihr zufiel.
Seltsam, dieser Gesichtsausdruck! Vielleicht muss ich sie mir noch einmal vornehmen, war einer der ersten Gedanken des Maresciallo, als er wieder allein war. Wie oft musste er sich mit Lügen abgeben oder mit Vorkommnissen im Leben des Opfers, die verschwiegen wurden, ob absichtlich oder unabsichtlich!
Warum hat sie so abfällig den Mund verzogen, als ich die Familie Innocenti erwähnte?
Hatte er womöglich nur Halbwahrheiten zu hören bekommen?
3 7
»Maresciallo, wer war das?« Brigadiere Surace, gerade zurück aus dem gerichtsmedizinischen Institut, war Sara Genovese noch auf dem Gang begegnet.
»Eine Freundin des Opfers.«
»Was für eine schöne Frau! Hat sie etwas Interessantes ausgesagt?«
»Nein, nichts Besonderes. Ich verstehe nicht recht, warum sie gekommen ist. Und du, was gibt’s Neues von der Autopsie?«
Surace berichtete zunächst, dass auf der Verpackung der Einwegkamera keine Fingerabdrücke gefunden worden waren. Genauso wenig auf der Glühbirne und den Handschellen. Dann blätterte er in seinen Notizen zur Autopsie.
»Todesursache: Erstickung. Sie wurde erwürgt. Das Zungenbein ist dabei gebrochen. So viel ist sicher. Sonst keine Anzeichen von Gewalt. Sie wurde nicht vergewaltigt oder geschlagen, die inneren Organe waren gesund.«
»Also keine sexuelle Gewalt?«
»Richtig, Maresciallo.«
Goris Miene verdüsterte sich, er hatte insgeheim auf Spermaspuren gehofft. Aber es waren nicht einmal Hautpartikel, Stofffasern oder sonstiges Material unter den Fingernägeln gefunden worden.
Immerhin stand nun fest, dass es sich nicht um ein Sexualdelikt handelte.
»Erzähl weiter, Surace.«
»Zum Todeszeitpunkt gab es keine Verdauungsaktivität mehr. Im Magen wurden allerdings Reste von Champagner festgestellt …«
Da hat die Freundin also die Wahrheit gesagt, dachte Gori.
»Schnitte? Kratzer? Blaue Flecken?«
»Blutergüsse nur an den Handgelenken. Verursacht, als sie noch lebte und das Blut zirkulierte, meint der Pathologe.«
»Klar, die Handschellen. Sonst noch etwas? Hast du was wegen der künstlichen Rose unternommen?«
»Petrucci kümmert sich darum, aber wie es aussieht, kommen zahlreiche Geschäfte infrage, selbst wenn wir davon ausgehen, dass sie in Florenz gekauft wurde.«
»Zahlreiche, sicher, doch es wird nicht viele Kunden geben, die die Farbe Schwarz bevorzugen«, erwiderte Gori.
Der Brigadiere nickte.
»Noch eine genauere Angabe über den Todeszeitpunkt?«
»Der Tod ist zwischen eins und drei eingetreten, nach dem Rigor mortis zu urteilen. Aber der Pathologe schickt uns morgen einen ersten Bericht mit den wichtigsten Daten.«
Der Rigor mortis , die Leichenstarre, ist ein biochemischer Prozess, der nach dem Tod abläuft. Er setzt in den Kaumuskeln und am Hals ein und breitet sich mit dem Blutstrom nach unten in der übrigen Muskulatur aus. Normalerweise beginnt er nach vier bis sechs Stunden und ist nach zehn bis zwölf Stunden abgeschlossen, je nach Körperzustand und Umweltbedingungen. Kälte zum Beispiel verzögert die Starre, während Wärme sie beschleunigt. Nach dreißig Stunden bis drei Tagen löst sie sich wieder, und zwar in derselben Reihenfolge, wie sie eingetreten ist.
»Danke, Surace. Wir müssen die Nachforschungen vorantreiben.«
»Jawohl, Maresciallo.«
Als der Brigadiere draußen war, dachte Gori wieder an das, was der Colonnello vorhin in barschem Ton zu ihm gesagt hatte. »Halten Sie sich ran! Ich will schleunigst Ergebnisse.« Gori war gar nicht dazu gekommen, ihm zu erzählen, dass eine Zeugin in seinem Büro saß. Schulterzuckend rief er Ferrara an und teilte ihm das Ergebnis der Autopsie mit, ohne sein Gespräch mit Sara Genovese zu erwähnen. Gewiss, Vorschrift war Vorschrift, und die Anweisungen des Staatsanwalts mussten befolgt werden, doch als guter Carabiniere würde er zuerst mit seinem Vorgesetzten darüber sprechen. Nicht umsonst lautete das Motto der Truppe: »Treu durch die Jahrhunderte!«
Er beschloss, dass es an der Zeit war, einen Blick in die Kiste zu
Weitere Kostenlose Bücher