Schwarze Rosen
ummanteltem Blei. Sie liegen auf dem Wagen«, antwortete Franceschini, der müde und abgespannt wirkte, als hätte er nächtelang durchgearbeitet. Er trug einen zu weiten Kittel, Gummihandschuhe und einen Mundschutz. Die Autopsie hatte er vorgezogen, weil Direttore Lassotti, wie er sagte, für fünfzehn Uhr dreißig eine Besprechung aller Ärzte angesetzt hatte, bei der er nicht fehlen durfte. Im Saal roch es stark nach Desinfektionsmitteln und nach dem unverkennbaren Geruch des Todes.
»Nur drei Projektile?«, fragte Ferrara nach, als bräuchte er eine Bestätigung. Er warf einen Blick auf die Leiche und stellte fest, dass der Y-Schnitt vom Schlüsselbein bis zur Scham ausgeführt und die inneren Organe entnommen worden waren. Auch der Schädel war geöffnet worden.
»Drei«, wiederholte der Mediziner verdrossen.
Der Commissario sagte sich, dass die anderen Schüsse, die er gehört hatte, tatsächlich Fehlschüsse gewesen sein mussten, genau wie es der Präsident mit seiner ironischen Bemerkung angedeutet hatte.
»Was können Sie mir sonst noch sagen?«, fragte er.
Die Todesursache waren innere Blutungen infolge derVerletzungen durch die Feuerwaffe, erklärte der Arzt, deren Schüsse höchstwahrscheinlich schnell aufeinandergefolgt waren. Zwei Kugeln hatten den Brustkorb getroffen und die Aorta zerfetzt, während die dritte in den Hinterkopf eingedrungen war. Die beiden ersten hatten lebenswichtige Organe beschädigt, nämlich die Lunge und das Herz, die dritte dagegen schien so etwas wie ein Gnadenschuss gewesen zu sein. Die Flugbahn der beiden Projektile war auf einer fast horizontalen Linie verlaufen, woraus man schließen konnte, dass Opfer und Täter sich gegenübergestanden hatten. Hingegen war die dritte Kugel diagonal von oben nach unten abgefeuert worden, als das Opfer schon auf dem Boden gelegen hatte.
Der Commissario stimmte dieser Rekonstruktion des Tathergangs im Stillen zu, sagte aber nichts.
»Der Tod trat innerhalb von wenigen Minuten ein«, präzisierte Franceschini.
Tödliche Geschosse, dachte Ferrara, der wusste, dass man sich nicht von dem kleinen Kaliber täuschen lassen durfte. Das Kaliber 22 konnte die gleichen Schäden bewirken wie die größeren, etwa Kaliber 7.65 oder 38, wenn nicht gar schlimmere. Aus einem ganz einfachen Grund: Es hatte meist nicht die Schlagkraft, um auf der anderen Seite wieder auszutreten, sondern blieb vibrierend im Gewebe stecken und beschädigte das betroffene Organ schwer. Außerdem konnte eine Pistole dieses Kalibers, auch ein Trommelrevolver, unauffällig am Körper getragen werden, was sie zu den bevorzugten Schusswaffen professioneller Killer machte.
»Ich hätte gern die Kugeln«, sagte Ferrara.
»Kein Problem, Commissario.« Franceschini ging zu besagtem Wagen und steckte die Projektile in einen Plastikbeutel, den er Commissario Ferrara gab. »Bitte sehr! Damit können Sie sich jetzt abplagen. Meine Aufgabe darf als erledigt betrachtet werden. Ich werde dem Staatsanwalt und natürlich Ihnen so bald wie möglich den offiziellen medizinischen Bericht schicken, mit den entsprechenden Erläuterungen«, sagte er mit einem spöttischen Lächeln.
Ferrara ignorierte es und verabschiedete sich.
Sein nächstes Ziel war die kriminaltechnische Abteilung.
»Sieh mal, Michele«, sagte Gianni Fuschi, nachdem er die Kugeln aufmerksam untersucht hatte, »sie sind zwar deformiert, weisen aber noch Spuren von rotem Lack auf.«
»Also tatsächlich markiert! Wie der anonyme Anrufer gesagt hat!«
Sie befanden sich in einem großen Saal, dessen Fenster auf die Piazza Indipendenza hinausgingen. Er war vollgestopft mit Materialien und Apparaten: Computer, Reagenzgläser, chemische Lösungen, Licht- und Elektronenmikroskope …
»Gianni, willst du damit sagen, dass es keine Originalpatronen sind?«
»Meiner Ansicht nach hat der Täter sie behandelt, bevor er sie ins Magazin beziehungsweise die Trommel steckte, aber aus welchem Grund, kann ich mir nicht erklären. Das ist das erste Mal in all den Jahren, dass mir so etwas unterkommt. Der Gerichtsarzt hat die Spuren auf den Kugeln wahrscheinlich für Blut gehalten, doch es ist Lack, nicht leicht abzulösen.«
»Das ist für mich auch etwas Neues.«
»Und du hast selbst nicht wenige Morde gesehen, was, Michele?«
Der Commissario nickte. »Schick mir so bald wie möglich deinen Laborbericht, Gianni, ja?«
»Ich mach mich gleich daran und schicke ihn dir gegen Abend.«
Sie verabschiedeten sich.
Nun würde das DIGOS
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