Schwarze Rosen
Italien.«
Sie aßen schweigend. Als sie fertig waren, war die Platte vollständig geleert.
»Und was können Sie mir noch zu der verbrannten Frau sagen?«, fragte Ferrara, nachdem er den letzten Bissen mit einem Schluck Wein heruntergespült hatte.
Padre Torre zuckte die Schultern. »Aus dem, was Sie mir erzählt haben, schließe ich, dass in dieser Kapelle eine schwarze Messe der schwärzesten Art gefeiert wurde. Die Tötung der Frau sollte ein Opfer an den Teufel sein.«
»Und diese entfernten und mitgenommenen Organteile, was meinen Sie dazu?«
»Das ist noch eine Bestätigung dafür, dass es sich um ein Menschenopfer handelte. Organe werden von den Adepten bei ihren Zusammenkünften für Kulthandlungen benutzt.«
»Padre, das waren klare Aussagen. Wären Sie bereit, sich sämtliche Unterlagen anzusehen und ein Gutachten für uns zu erstellen?«
»Ja, selbstverständlich.«
»Dann werde ich den Staatsanwalt bitten, Sie zu unserem Berater zu ernennen.«
»Es wäre mir eine Ehre.«
Danach sprachen sie von anderen Dingen, und schließlich kam der Kellner mit dem Kaffee und einer Flasche Grappa di San Gimignano.
Massimo bezahlte die Rechnung, und sie verabschiedeten sich draußen vor dem Lokal und gingen getrennte Wege.
Der Freund und Buchhändler wandte sich mit dem Pater in Richtung der Piazza della Repubblica, während Ferrara für seinen Nachhauseweg das Arno-Ufer ansteuerte. Eine Bemerkung ging ihm noch im Kopf herum: Der Schnitt in der Stirn der Toten stellte eine Herausforderung dar …
Aber wen wollte man damit herausfordern?
Etwa ihn, Michele Ferrara?
93
MITTWOCH, 30. JUNI
Teresa und Rizzo sahen einander verdutzt an.
Ein magerer, aknegesichtiger Junge in schwarzer Hose und weißem Hemd öffnete ihnen. Er wirkte nicht älter als sechzehn oder siebzehn, war jedenfalls noch minderjährig. »Ich heiße Dario«, sagte er schlicht und bat sie herein.
Er teilte ihnen mit, dass der Ingegnere Bartolotti sich noch auf seiner morgendlichen Runde durch den Betrieb befand, der original toskanische Erzeugnisse herstellte und diverse Geschäfte und Großhändler in der Toskana und der EmiliaRomagna belieferte. Anschließend führte der Junge die Beamten in einen Salon, wo er auf zwei Sessel zeigte und sagte: »Bitte, nehmen Sie Platz! Wünschen Sie in der Zwischenzeit einen Kaffee?«
Beide lehnten ab. Sie setzten sich und sahen sich interessiert in dem großen Raum um.
Der Junge hatte sich derweil ans Fenster gestellt wie ein Wachhund und blickte mal nach draußen, mal zu den zwei Besuchern hin.
Die Einrichtung bestand aus wenigen ausgesuchten Stilmöbeln, und an den Wänden hingen Bilder, die Originale zu sein schienen. Den Fußboden bedeckten große Perserteppiche mit floralen Mustern.
Dann wurden die Augen der beiden Polizisten wie magnetisch von einer ausgezeichneten Kopie des Gemäldes Johannes der Täufer von Leonardo da Vinci angezogen: der Heilige mit dem nach oben weisenden Zeigefinger, der sich mit seinem seelenvollen, vieldeutigen Blick und dem liebenswerten Lächeln direkt an den Betrachter zu wenden scheint. Eines der rätselhaftesten Bilder des toskanischen Genies. Teresa und Francesco Rizzo waren so in den Anblick des Gemäldes versunken, dass sie die Ankunft des Hausherrn zuerst nicht bemerkten.
»Guten Tag, die Herrschaften«, hörten sie ihn plötzlich hinter sich sagen.
»Guten Tag, Signor Bartolotti.« Sie standen auf und gaben ihm die Hand, während Dario auf leisen Sohlen den Salon verließ.
Bartolottis Augen ruhten für einen Moment auf dem Gesicht der Polizistin.
Teresa hatte sich an diesem Morgen besonders sorgfältig gekleidet. Sie trug ein graues Kostüm, dazu Sandaletten mithohem Absatz. Ihre Züge zeigten keine Spur von Müdigkeit. Eine wirklich tadellose Erscheinung.
Sie erwiderte seinen Blick und dachte: Was für ein faszinierender Mann!
»Sie haben meinen Johannes bewundert?«, sagte Bartolotti lächelnd. »Was finden Sie besonders interessant – das knabenhafte Gesicht inmitten dieser Lockenpracht? Oder sein Lächeln? Oder den erhobenen Zeigefinger?«
»Alles zusammen eigentlich, aber vor allem der Schatten, der den Heiligen umgibt«, antwortete Teresa und dachte an die vielen Gespräche über Bilder, die sie mit ihrer Mutter, einer Kunstliebhaberin, geführt hatte.
»Ich sehe, Sie kennen sich aus. Sind Sie wirklich Polizistin? Mir kommen da gerade Zweifel.«
»Möchten Sie meinen Ausweis sehen?«
»Nein, schon gut, ich glaube Ihnen. Offenbar haben Sie nur
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