Schwarze Rosen
Ihnen auch die Studie des Innenministeriums zum selben Thema schicken. Sie stammt zwar vom Anfang der Neunzigerjahre, ist aber die einzig existente und in mancher Hinsicht noch immer aktuell, auch für die Toskana. Beim DIGOS müssten sie sie eigentlich vorliegen haben. Das weiß ich, weil ich damals selbst daran mitgearbeitet habe.«
»Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar, Padre«, sagte Ferrara, der im Stillen den schon absurden Mangel an Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Polizeidienststellen verfluchte. Warum hatte ihm der Kollege Barba, den er doch fast jeden Morgen bei den Besprechungen mit dem Präsidenten sah, nie etwas von dieser Studie gesagt? Der Commissario hörte tatsächlich zum ersten Mal davon.
Inzwischen hatte ein Kellner diverse Teller mit rohem Schinken, Fenchelsalami, frittierten Zucchiniblüten und Kartoffelklößchen, ebenfalls frittiert, in die Tischmitte gestellt.
Massimo füllte ihre Gläser mit Vino Nobile di Montepulciano. Padre Torre hielt seines gegen das Licht und bewunderte die herrliche granatrote Farbe. Nachdem er ihnen zugeprostet hatte, trank er es in einem Zug aus. »Vollmundig, rund, einer der besten Rotweine, die in der Toskana gekeltert werden«, bemerkte er.
»Da haben Sie recht«, stimmte Ferrara zu, auch wenn er in letzter Zeit wieder öfter zu Tropfen aus seiner Heimat griff. In Sizilien hatte eine Reihe von jungen Winzern damit begonnen, ausgezeichnete Weine herzustellen, die sicher bald weithin Anerkennung finden würden.
»Commissario, der Schnitt in der Stirn der Leiche und der Mord an der verkohlten Frau könnten miteinander zusammenhängen, doch für ein verlässliches Urteil müsste ich die Akten lesen. Wenn nicht alle, so doch zumindest die wichtigsten, vor allem die Tatort-Protokolle. Und dann müsste ich die Fotos sehen. Bilder sagen manchmal mehr als Worte und offenbaren Einzelheiten, die der Polizei vielleicht unbedeutend erscheinen, aber klare Indizien sein könnten. Ich möchte mich nicht aufdrängen …«
»Nein, nein, ich zweifele nicht an Ihrem Urteilsvermögen.«
Derweil hatte Massimo ihnen nachgeschenkt. Der Pater führte sogleich wieder sein Glas zum Mund.
»Es ist notwendig, dass ich mir einen möglichst breiten Überblick über die Fakten verschaffe«, betonte er. »Aber eines kann ich Ihnen jetzt schon sagen: Dieser Schnitt an der Leiche sieht mir sehr nach einer Herausforderung aus – oder, genauer ausgedrückt, nach einer Provokation.«
»Und das heißt?«
»Im Satanismus wie im Okkultismus überhaupt wird immer wieder hervorgehoben, wie wichtig es sei, Grenzen zu überschreiten. Wer Taten in dieser Art begeht, möchte auch herausfordern, provozieren. Er will entdeckt, wenn auch nicht gefasst werden – das gibt ihm das Gefühl, siegreich und mächtig zu sein.«
»Hm … Na schön, aber wen will er denn herausfordern?«
»Tja, das müssen Sie durch Ihre Ermittlungsarbeit beantworten.« Ein Lächeln erschien auf dem sich immer mehr rötenden Gesicht des Geistlichen.
»Was für eine Persönlichkeit könnte hinter so einer Tat stecken?«
»Jemand, der von der Kultur des Okkulten beeinflusst ist, vom volkstümlichen Magieglauben, kein gewöhnlicher Geisteskranker, jemand, der – das kann man nicht ausschließen – vielleicht auch nur sich selbst herausfordern wollte, seine eigenen Fähigkeiten.«
Sie tranken mehr Wein.
Der Kellner kam mit einer großen Platte herbei. »So, bitte sehr«, sagte er und stellte sie auf den Tisch. »Das ist ausgezeichnetes Fleisch, das aus der eigenen Viehzucht von Signor Latini stammt. Ich empfehle Ihnen, nichts übrig zu lassen.« Er strahlte sie an und zeigte dabei seine vom Nikotin vergilbten Zähne. »Etwas Vergleichbares ist schwer zu finden, undwir hoffen, dass es uns auch bald wieder erlaubt sein wird, unseren Gästen das echte Florentiner Rumpsteak zu servieren«, fügte er voller Stolz hinzu.
»Wir wissen, dass euer Fleisch von bester Qualität ist«, pflichtete Ferrara ihm bei, doch der Kellner war schon wieder davongeeilt. Der Commissario spießte ein Stück mit der Gabel auf.
»Wirklich vorzüglich«, sagte Padre Torre, als auch er es probiert hatte. »Wie immer. Eine wahre Köstlichkeit, die man nur in bestimmten Restaurants bekommt.«
»Das, lieber Padre, ist echtes Chianina-Rind. Wir wollen in der Tat hoffen, dass dieser Wahn mit dem Rinderwahn bald vorbei ist«, bemerkte Massimo.
»Ja, welch ein Fehler, ich weiß. Seit 2001 greift diese Hysterie um sich, und nicht nur in
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