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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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ich das formuliert hatte. Der Hinweis auf den »Polizeigewahrsam« hatte genau das richtige Maß an Zweideutigkeit. Das konnte alles bedeuten: Dass die Behörden sich nach den Strapazen und Schrecken der Entführung um den armen Grafen kümmerten, zum Beispiel. Aber genauso gut könnte Graziella es auch so interpretieren, dass Borelli verhaftet worden war, womöglich in Verbindung mit den Morden in Monte Carlo. Was vielleicht einen Keim des Zweifels säen könnte – vielleicht würde sie sogar einen Anflug jener Angst verspüren, die ihren Onkel wohl dazu getrieben hatte, seinem Leben ein vorzeitiges Ende zu setzen. Zugegeben, bisher hatte sie nicht mal einen Hauch von Reue für ihre Taten gezeigt, aber man brauchte kein Psychologe zu sein, um sich vorstellen zu können, dass der Tod ihres Onkels sie treffen würde.
    Ich warf das Buch aufs Bett und überlegte, was als Nächstes zu tun sei. Zunächst musste ich im Eiltempo die Wohnung durchsuchen. Den Anfang machte die Wandnische, und es dauerte nicht lange, bis ich mich vergewissert hatte, dass in dem Alkoven nichts als Schuhe waren, und in den Schuhen wiederum nichts als abgestandene Luft und hin und wieder eine Sockenfluse. Also ging ich weiter zu der hängenden Kleiderstange und klopfte die Kleider ab. Nichts, was sich nach einem gebundenen Buch oder einem belastenden Beweis anfühlte. Gleiches galt für die Kiste neben dem Bett. Ich hob sie sogar hoch und schaute darunter nach. Ein durchsichtiger Plastikbeutel war von innen an die Kiste geklebt. Ich griff nach einem der blauen Chips und sah, dass die Worte Casinò di Venezia darauf gedruckt waren. Ich nahm an, dass sie bei der Arbeit gelegentlich den einen oder anderen Chip mitgehen ließ, aber ohne Beweis würde ich mit diesem Verdacht nicht weit kommen.
    Normalerweise hätte ich den Beutel eingesteckt, aber da ich aller Wahrscheinlichkeit nach keine Gelegenheit mehr bekommen würde, ins Casino zurückzugehen, stopfte ich den Chip wieder hinein, stellte die Kiste zurück und nahm das Bett in Angriff. Zuerst die Kissen, dann die Decke, dann die Matratze. Doch erst als ich die untere Hälfte der Matratze hochrollte, um einen Blick darunter zu werfen, erspähte ich durch die Holzlatten des Futonrahmens etwas auf dem Boden liegen. Eine kleine zusammengeheftete Hochglanzbroschüre.
    Ich ließ die Matratze los, fiel auf die Knie und angelte das Heft mit der Taschenlampe aus dem Rahmen. Dann richtete ich den Strahl auf das Blättchen und stöhnte gleich darauf zum Gotterbarmen.
    »Daher wusstest du also von dem Buch«, jammerte ich an keinen speziellen Adressaten gerichtet.
    Das Heftchen war aufgeschlagen, auf einer Seite, auf der ein Artikel über mich abgedruckt war. Vor – wann war das noch? – sieben, acht Monaten vielleicht hatten Martin und Antea mich zu einer Dinnerparty eingeladen, bei der mich ein geschwätziger englischer Auswanderer in die Ecke gedrängt und mir fast die Ohren blutig gequasselt hatte. Ich erfuhr, dass er in Venedig eine kostenlose englischsprachige Kulturzeitschrift herausgab. Irgendwann hatte er mich so weichgeklopft, dass ich mich völlig entnervt bereiterklärte, einige Fragen über meine Krimireihe zu beantworten – wobei ich mir nicht vorstellen konnte, dass die Bussi-Bussi-Plaudergesellschaft sich die Hände bei der Lektüre eines meiner Schundromane schmutzig machen würde. Ach ja, und ein Foto von mir war ebenfalls mit abgedruckt – ein Schnappschuss zuhause am Schreibtisch, mit dem Laptop hinter mir, eine Zigarette in der Hand und natürlich die signierte Ausgabe des Malteser Falken an der Wand etwas oberhalb meiner Schulter.
    Ich hatte einige Fragen zu dem Buch beantwortet – erklärt, wie viel es mir bedeutete, dass es für mich ein Glücksbringer war, ein Talisman, den ich zum Schreiben brauchte, und behauptet, es von einer Erbschaft erstanden zu haben, die ich kurz vor Erscheinen meines ersten Buchs von meinen Großeltern bekommen hatte. Der Depp, der das Interview geführt hatte, hatte sich sogar zu der selten blöden Bemerkung hinreißen lassen, wie Sam Spade sich wohl in den Straßen und Gassen der Stadt mit den vielen Brücken geschlagen hätte.
    Grundgütiger.
    Damals hatte ich versucht mir einzureden, der Artikel sei gute PR für mich, aber im Grunde genommen war er nichts anderes als eine ganzseitige farbige Werbeanzeige; eine gedruckte Einladung für ein Individuum mit entsprechenden Kenntnissen und Fähigkeiten, in meine Wohnung einzusteigen und mich auszurauben.

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