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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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Elektroöfchen, der Boden mit verbrannten Essenskrümeln verstopft. Daneben eine zweiflammige Kochplatte, mittels eines Gummischlauchs mit einer orangefarbenen Gasflasche verbunden, der so brüchig und undicht wirkte, dass ein einziger Funke womöglich ausgereicht hätte, das ganze Haus in die Luft zu jagen. Zwei Regalbretter waren an die Wand gedübelt. Im Hängeschrank rechts davon stand eine angeschlagene Müslischüssel. In dem Schrank links fand sich eine bescheidene Sammlung von Gläsern und Dosen. Nichts, was mich irgendwie interessierte.
    Blieb nur noch das hell erleuchtete Zimmer, und wenn das genauso unordentlich war wie der Rest der Wohnung, dämmerte mir langsam, warum der Ladeninhaber sich erschossen hatte. Womöglich war seine schlampige Haushaltsführung bloß die Kehrseite seines Berufs, der größte Genauigkeit und Hingabe erforderte – oder es zeigte, wie wenig Zeit sein Beruf ihm für die anderen Dinge des Lebens ließ.
    Überraschenderweise war das letzte Zimmer sauber und aufgeräumt. Ein moderner Flachbildfernseher thronte in der Ecke gegenüber der Tür, und davor standen zwei abgewetzte Clubsessel. Ich steckte den Kopf zur Tür hinein. Mitten im Raum stand ein alles beherrschender ovaler Esstisch aus Teakholz, daran vier bunt zusammengewürfelte Stühle. Er wurde von einem Deckenstrahler mit drei Birnen beleuchtet.
    Langsam trat ich näher. Auf dem Tisch lag eine dicke Plastikfolie, wie um ihn vor einem allzu achtlosen Anstreicher zu schützen, aber Farbspritzer waren keine darauf. Es sah aus, als hätte der Ladeninhaber an irgendwas gebastelt. Eine aufklappbare Werkzeugkiste stand offen auf dem Tisch, die Fächer vollgestopft mit Schraubenziehern und Zangen, Drahtscheren und Teppichmessern, Klebstofftuben, klebrigen Klebebandrollen und einer Juwelierlupe. Neben dem Werkzeugkasten lag Elektrodraht (blau, grün, rot und gelb), auf kleine Kabeltrommeln gewickelt. Drei billige Digitaluhren waren ordentlich nebeneinander aufgereiht, die Uhrenbänder offen, sodass sie flach dalagen.
    Das Licht meiner Taschenlampe sprühte über das Uhrenglas – weiß der Himmel, warum ich immer noch meine Lampe benutzte, wo doch Licht im Zimmer brannte –, und ich sah, dass sämtliche digitalen Displays dieselben Ziffern anzeigten. 00:00:00 .
    Gern würde ich jetzt behaupten, als ich die Uhren sah, sei mir endlich ein Licht aufgegangen. Liebend gern würde ich mich in dem Glauben wiegen, dass ich nicht so schwer von Begriff war. Aber die Wahrheit ist eine andere, und erst als mein Blick auf die graubraunen Lehmziegel fiel, aus denen ein Gewirr bunter Kabel ragte, dämmerte es mir. Das war kein gewöhnliches Hobby – Graziellas Onkel hatte keine Buddelschiffe in Glasflaschen praktiziert oder maßstabsgetreue Modelle der Rialtobrücke aus abgebrannten Streichhölzern zusammengeklebt. Nein, es war ganz eindeutig: Der arme Kerl, den ich vorhin gefunden hatte, das Gesicht großräumig über den Boden seines Ladens verspritzt, hatte sein handwerkliches Geschick und die ruhige Hand, die er als Buchbinder brauchte, dazu genutzt, sich der heiklen Kunst des Bombenbaus zu widmen, und ich war unbeabsichtigt in seine Heimwerkstatt gestolpert.

Sechsunddreißig
     
    So war Graziella also an die Bombe gekommen. Und nicht bloß an das Ding, das ich unglücklicherweise in die Luft gejagt hatte, sondern womöglich auch an das teuflische Konstrukt, das Alfreds Freund in Monte Carlo das Leben gekostet hatte. Kein Wunder, dass der Ladeninhaber mir ein bisschen verdächtig vorgekommen war. Der Mann hatte eine ganze Menge zu verbergen.
    Rückwärts schob ich mich von dem Tisch weg und hastete dann aus der Wohnung, wobei ich es plötzlich sehr eilig hatte. Ja, das hatte durchaus etwas mit dem umfangreichen Sprengstofffund auf dem Tisch zu tun, aber darüber hinaus hatte ich noch einige weitere gute Gründe für meine Eile. Erstens war ich nicht gerade scharf darauf, mich länger als unbedingt nötig in einem Haus herumzudrücken, in dem ein Toter lag. Und zweitens hatte ich keinerlei Hinweis darauf gefunden, dass Graziella mit ihrem Onkel zusammen in dieser Wohnung lebte. Es gab nur ein einziges Schlafzimmer, und es wäre eine unerhörte Untertreibung zu behaupten, der Bude fehle die ordnende weibliche Hand. Aber es gab ja noch eine zweite Tür im Treppenhaus, hinter der es zu schnüffeln galt. Allerhöchste Zeit, damit anzufangen.
    Die Tür führte zu einer Holztreppe, die steil im Bogen nach rechts schwenkte. Ich folgte ihr, und sie

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