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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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sackte auf die Knie, während mir die Taschenlampe aus den schlaffen Händen kullerte. Ich schrie auf, erst vor Schreck, dann vor Schmerz, und wollte mich gerade herumwälzen, als ein undeutlich erkennbarer Arm abermals auf mich zuschoss. Es knirschte äußerst unerfreulich, und mein Kopf flog zur Seite, sodass mein Kinn den Holzboden knutschte. Durch den Aufprall schien irgendwas in meinem Schädel abgebrochen zu sein – etwas, das zu groß war für die enge Knochenhülle. Es schwoll an und drückte gegen meine Schädeldecke, und dann sickerte es als warmes Rinnsal aus meinem Ohr. Noch war ich bei Bewusstsein, aber nur gerade so eben. Ich hatte zwei Schläge abbekommen, und keiner davon hatte genau ins Schwarze getroffen, doch ich war nicht so blöd, einen weiteren Versuch herauszufordern. Also blieb ich einfach mit geschlossenen Augen auf dem Boden liegen, den Mund halb geöffnet, und gab mir größte Mühe, wie ein k.o.-geschlagener Engländer auszusehen.
    Ein nach Gummi riechender Schuh trat neben meine Nase, und mein Kopf wurde fast genau an der Stelle, an der ich eins übergebraten bekommen hatte, an den Haaren hochgerissen. Es tat höllisch weh, aber ich war wild entschlossen, nicht zu winseln. Was mir, muss ich schon sagen, wirklich gut gelang. Ich hielt bestimmt eine halbe Sekunde lang durch, und dann waren plötzlich Schritte und Stimmen von der Wendeltreppe am anderen Ende des Flurs zu hören.
    Unvermittelt ließ mein Angreifer meine Haare los und gab meiner Nase so ausreichend Gelegenheit, beim ungebremsten Aufprall auf den Holzboden zu brechen. Dann griff mir jemand unter die Arme, und ich wurde hinter die Tür geschleift.

Siebenunddreißig
     
    Es waren eine Frauen- und eine Männerstimme. Selbst mit zertrümmertem Schädel erkannte ich Graziella auf Anhieb. Sie redete in maschinengewehrsalvenschnellem Französisch mit ihrem Kompagnon, weshalb ich mir denken konnte, wer sie begleitete.
    Mein schattenhafter Freund mit dem schlagkräftigen Arm hatte vergessen, meine Taschenlampe verschwinden zu lassen. Sie leuchtete nun diagonal durch den ganzen Raum und strahlte schwach die Grünlilie und das Bild von Audrey Hepburn an. Mit etwas Glück hätte das schon reichen können, um Graziella stutzig zu machen und auf die Gefahr hinzuweisen, die hinter der Tür lauerte. Tat es aber nicht. Eine Deckenlampe wurde angeklickt , und Graziella kam hereingeschneit, gefolgt von dem Übergrößen-Black-Jack-Fritzen mit dem auffälligen Zinken und dem wild wuchernden Bart. Den Fedora hatte er nicht auf dem Kopf – womöglich hatte er den auf den Garderobenständer geworfen –, aber er trug den altbekannten XXL-Kamelhaarmantel, eine schwarze Anzughose und weiße Sportsocken. Graziella steckte noch in ihrem Arbeitssmoking, allerdings ohne die dazugehörige Fliege, und hatte die perlmuttweiße Bluse oben etwas geöffnet.
    Die beiden gingen zum Küchentisch und plapperten dabei ununterbrochen weiter. Sie klangen aufgekratzt und schienen blendender Laune, was nur heißen konnte, dass Graziella beim Nachhausekommen nicht im Buchladen vorbeigeschaut und gesehen hatte, was ihrem Onkel zugestoßen war.
    Der Wurzelsepp trug einen Aktenkoffer aus Metall, der mir sehr bekannt vorkam. Er ließ ihn in der großen Faust munter vor- und zurückschwingen und knallte ihn dann mitten zwischen den Spielkarten auf die karierte Tischdecke, um ihn dann so herumzudrehen, dass die beiden Zahlenschlösser auf Graziella zeigten. Dann breitete er die Arme aus und grinste übers ganze Gesicht wie ein irres Honigkuchenpferd oder ein Spielshow-Moderator bei der Präsentation des Hauptgewinns. Graziella feixte und streckte die Zunge seitlich aus dem Mund und wollte gerade den Zahlencode eingeben, als sie aus dem Augenwinkel etwas sah und ihr Blick geradewegs auf mich fiel.
    Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Ebenso wie Freude und Siegesgewissheit.
    Ich hörte ein Klicken, gefolgt von einem schnarrenden Geräusch, und dann sprang mein geheimnisvoller Begleiter hinter der Tür hervor und rief: »Kuckuck!«
    Okay, gut, das hat er nicht gemacht, aber er streckte den Arm aus und zeigte mit dem Finger auf sie. Korrigiere – mit einer Pistole . Ich mochte zwar zusammengesackt auf dem Boden liegen und die Szene aus halb geschlossenen Augen beobachten, während ich meine Ein-Mann-im-Koma-Nummer aufführte, aber die Pistole erkannte ich klar und deutlich. Es war ein großes, unhandliches Ding mit aufgeschraubtem Schalldämpfer. Und verdammt, es sah der Waffe

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