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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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dass sie unter ihm begraben lag und er sie noch mit einer Hand umklammerte, und von mir aus konnte er sie ruhig behalten.
    An ein Regalbrett hinter mir geklammert richtete ich mich mühsam auf, klopfte mir den Schmutz aus den Kleidern und vergewisserte mich, dass ich nichts verloren hatte. Das Brillenetui war, an die Zigarettenschachtel geschmiegt, noch in der Innentasche meines Mantels verstaut, das Pfefferspray steckte in meiner Hosentasche, und die Taschenlampe hatte ich in der Hand. Nichts wies darauf hin, dass ich hier gewesen war, nichts, bis auf den blutverschmierten Bleistift. Kurz erwog ich, ihn mitzunehmen, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Stattdessen nahm ich den Becher und verstreute dessen Inhalt neben der Leiche, in der Hoffnung, dass es aussähe, als hätte er ihn im Hinfallen mitgerissen.
    Nachdenklich saugte ich Luft durch die Zähne und ballte die Hände zur Faust. Idiot. Nie, niemals hätte ich diesen Laden betreten dürfen. Die Wohnung war ohnehin viel aussichtsreicher. Sollte hier irgendwo etwas Nützliches zu finden sein, dann doch wohl dort. Nicht hier. Vor allem nicht jetzt.
    Steif stakste ich durch den Raum, wobei meine durchweichten Socken in den Schuhen schmatzten, und dann den sumpfigen Korridor entlang, wo ich die Tür hinter mir zuschlagen ließ. Komisch, wie das manchmal so ist mit Entscheidungen. Wäre ich nicht zuerst in den Laden gegangen, hätte ich in aller Seelenruhe nach oben gehen und mich umsehen können, und zwar ohne das seltsame Zittern, das sich meines Körpers bemächtigt hatte, oder das eisige Kribbeln, das mir den Rücken hinaufkroch. Ich schaute auf meine Hände und drehte sie um, und dabei war es fast so, als sähe ich jemand anders dabei zu. Meine Bewegungen schienen mechanisch, als gehörten meine Gliedmaßen nicht zu mir, als sei ich eine kaputte Marionette, die einfach nicht gehorchen wollte. Ungelenk stolpernd zuckte ich an den Fäden, bewegte die Beine und taumelte blind in die Dunkelheit, bis ich links von mir eine schmale Treppe entdeckte, die nach oben führte.
    Oben angekommen stand ich vor zwei Türen ohne Namensschilder. Schlösser gab es keine – nur Türgriffe. Ich entschied mich für die direkt vor mir, und sie war gerade schwungvoll zu drei Viertel aufgeflogen, als sie unvermittelt gegen etwas Weiches stieß. Im Zimmer am Ende des Flurs brannte Licht – das Licht hatte ich von draußen durchs Fenster gesehen. Das reichte, um etwas sehen zu können, und was ich sah, waren Chaos und Durcheinander.
    Der Flur war mit Kisten zugestellt, die sich bis beinahe unter die Decke stapelten und nur einen schmalen Gang freiließen, durch den man sich quetschen konnte. Ich stellte erst einen durchweichten Fuß hinein und dann den anderen. Linste hinter die Tür. Noch mehr Kartons. Die Tür lehnte dagegen. Ich schloss sie hinter mir.
    Ein Karton gleich auf Kniehöhe stand offen. Darin Schreibpapierblöcke, deren Kanten anscheinend mit dem Stadtplan von Venedig bedruckt waren. Eine andere Kiste war randvoll mit Bleistiften. Ich ließ die Kartons links liegen und schob mich zwischen ihnen hindurch auf das Licht zu.
    Als Erstes kam ich an einem Zimmer vorbei, das sich als spärlich möbliertes Schlafzimmer entpuppte. Darin ein schmales, ungemachtes Bett, darauf ein zerknülltes Knäuel vergilbter Laken und eine ausgeblichene Decke. Auf einem Nachtschränkchen mit zwei Schubladen drängten sich Kaffeetassen und verstaubte Wassergläser, in denen sich das Licht meiner Taschenlampe fing. In einer Ecke entdeckte ich einen kleinen Schrank mit sperrangelweit offenen Türen, aus dem sich ein armseliges Sammelsurium von Männerkleidung auf den schmuddeligen Teppichboden ergoss.
    Nummer zwei war ein Badezimmer. Ein enges kleines Kabuff, in dem mich eine schmutzige Toilette mit hochgeklapptem Sitz begrüßte, der Rand klebrig vor Urin und mit gekräuselten Haaren garniert. Neben der Toilette war ein gesprungenes Waschbecken mit einem kleinen Stückchen alter Seife, und auf der kleinen Ablage darüber lag ein Einmalrasierer. An der Wand daneben hing ein Gästetuch undefinierbarer Farbe an einem rostigen Nagel. Hinter die Tür war eine freistehende Dusche gequetscht, vor der ein verschimmelter Vorhang hing, mit Klebeband an die schmutzig-weißen Fliesen gepappt.
    Neben dem Badezimmer lag die Küche. In der Spüle stapelte sich schmutziges Geschirr, das in einer schmuddeligen Brühe mit gräulicher Schaumkrone schwamm. Auf der Resopalplatte stand ein kompaktes

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