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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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weshalb ich mir nicht sicher war, wie lange ich das Ding noch halten konnte.
    »Ich verspreche Ihnen was«, sagte sie. »Wenn Sie den Koffer zurückbringen, bekommen Sie Ihr Buch wieder. Das schwöre ich Ihnen. Aber wenn Sie ihn jetzt fallen lassen, sehen Sie Ihr Buch nie wieder.«
    »Dann sagen Sie mir wenigstens, was da drin ist. Er ist verdammt schwer. Mein Arm wird langsam lahm.«
    »Aber das kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Weiß nicht ... wie lange ... ich ihn noch halten kann.«
    Einige kritische Sekunden lang beäugte sie mich, um dann, zu meiner nicht unerheblichen Erleichterung, mein Buch wieder in Sicherheit zu bringen. Trügerische Sicherheit. Denn nur Sekunden, nachdem sie es wieder in beiden Händen hielt, klappte sie es auf und packte eine einzelne Seite oben zwischen Daumen und Zeigefinger. Dann zerrte sie an dem Blatt, als wolle sie prüfen, wie fest es saß. Sie schaute mich durchdringend an und schien kurz zu zögern, doch dann hörte ich zu meinem Entsetzen ein Geräusch, das ich mein Lebtag nicht vergessen werde: ein leises Reißen.
    »Also gut«, schrie ich, hievte den Koffer wieder auf den Balkon und hob die Hand. Diese kleine Pattsituation war wirklich sehr zu meinem Nachteil ausgegangen. Wir wussten nun beide, wie sehr ich an dem Buch hing, aber ich hatte keine Ahnung, wie wichtig ihr der Inhalt des Koffers wirklich war. »Ich gebe auf.«
    Ihre Schultern sackten herunter. »Dann tun Sie jetzt, was ich Ihnen sage?«
    »Ich bringe den Koffer zurück.«
    »Und Sie schauen auch nicht rein?« Ihre Stimme klang ganz kleinlaut. Flehend fast.
    »Wenn Sie darauf bestehen. Aber nur, damit es keine Missverständnisse gibt, woher wollen Sie wissen, ob ich reinschaue oder nicht? Zugegeben, ich mag zwar die Zahlenkombination nicht kennen, aber mit etwas Zeit und Geduld bekomme ich den kleinen Stinker sicher auf. Das muss Ihnen doch klar sein.«
    »Ich erfahre es, wenn Sie es versuchen«, entgegnete sie unnachgiebig.
    Hmm. Konnte das wirklich sein? Womöglich hatte sie eine ganz einfache Sicherung eingebaut, wie beispielsweise ein Haar von außen an die Kante geklebt, oder auch etwas Komplizierteres, mit einem Sensor zum Beispiel. Entweder das, oder sie bluffte. Aber darüber konnte ich auch noch in aller Gemütsruhe nachdenken, wenn ich ein bisschen mehr Zeit (und wesentlich weniger Gewicht in der Hand) hatte.
    »Und wann soll die Sache über die Bühne gehen?«, fragte ich, ohne mir die Mühe zu machen, meinen Unmut zu verbergen.
    »Morgen Abend. Ich rufe Sie an, wenn es losgeht. Das Telefon haben Sie noch?«
    Ich klopfte meine Manteltasche nach dem Handy ab und nickte dann. »Sie sollten mir besser noch ein bisschen mehr erzählen. Damit ich weiß, was mich erwartet.«
    Sie beäugte mich misstrauisch, als sei meine unerwartete Fügsamkeit beunruhigender als der bisher geleistete Widerstand. Während sie mich musterte, ließ ich den Koffer zu meinen Füßen auf den Boden plumpsen und schaute auf die Uhr. Ich sollte längst im Bett sein.
    »Infos?«, drängte ich.
    Worauf sie mir den Rücken zukehrte, in ihre Tasche griff, den Hammett hineinsteckte und einen kleinen weißen Umschlag herausnahm. Das Papier war verknittert, und der Umschlag wölbte sich in der Mitte, als sei er hoffnungslos zu vollgestopft. Sie öffnete die Lasche, leckte den gummierten Streifen mit der Zunge an und klebte den Umschlag dann zu. Dann ging sie zur anderen Seite des Balkons und stellte sich auf die Zehenspitzen, um den Umschlag an eine der Wäscheleinen zu hängen, die zwischen uns gespannt waren. Ich gab mir Mühe, ihr dabei nicht auf den Po zu starren, und scheiterte kläglich bei dem Versuch.
    Die Wäscheleine lief zu beiden Seiten über eine Rolle, und nachdem sie mir einen letzten zweifelnden Blick zugeworfen hatte, als fürchtete sie, ich plane einen ausgeklügelten Trick, um sie zu übertölpeln, ruckte sie an der Leine und schickte den Umschlag mit einigen entschlossenen Zügen mit dem quietschenden Seilzug auf die Reise zu mir.
    Brav wartete ich, bis der Umschlag zitternd neben meinem Kopf hing, dann pflückte ich ihn aus der eisigen Nachtluft und drehte und wendete ihn in den Händen. Schließlich riss ich die aufgeweichte Lasche auf und holte ein gefaltetes Papierbündel heraus. Es waren aus einem Spiralblock herausgerissene Seiten, die über und über mit detaillierten Notizen und wirren Skizzen vollgekritzelt waren. Ich würde eine ganze Weile brauchen, das Bündel in Ruhe zu studieren, aber auf den ersten Blick

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