Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
Vom Netzwerk:
habe ich den Eindruck, Sie sind nicht ganz ehrlich zu mir. Und ich bin aus der Übung. Wenn der Palazzo gut gesichert ist, dann weiß ich nicht, ob ich das hinbekomme.«
    Mit flehendem Blick schaute sie auf und sah mich an. »Die Sicherheitsvorkehrungen sind kaum der Rede wert. Und ich habe den Code für den Tresorraum.« Sie lächelte zaghaft. Wollte ich mich wirklich darauf einlassen?, fragte ich mich. Und um welchen Preis?

Acht
     
    Sagen Sie mir lieber, was in dem Koffer ist«, sagte ich zu Graziella und trat mit dem Fuß dagegen.
    Sie wurde stocksteif und drückte dann ihre Zigarette auf dem steinernen Sims aus. »Das geht Sie nichts an.«
    »Falsche Antwort. Da könnten Drogen drin sein. Oder Falschgeld.« Oder gar eine abgehackte Hand , dachte ich und musste an die etwas verwickelte Geschichte eines Michael-Faulks-Krimis denken, mit der ich mich vor ein paar Jahren in Amsterdam herumgeschlagen hatte.
    »Nein, nichts dergleichen. Sie können mir vertrauen.«
    »Ha! Augenblicklich sind Sie so ziemlich der letzte Mensch, dem ich vertrauen würde.«
    Ihre üppigen Lippen verzogen sich zu einem schmalen Strich, und sie bedachte mich mit einem herablassenden, unnachgiebigen Blick. Mir drängte sich der Verdacht auf, sie könne es womöglich nicht gewohnt sein, auch mal ein Nein zu hören. Und ich glaube, es gefiel ihr ganz und gar nicht, es ausgerechnet von mir zu hören. Graziella hatte etwas von einer Prinzessin. Aus einem etwas aus dem Ruder gelaufenen Märchen.
    Ich hob den Koffer hoch. Er war erstaunlich schwer, und ein stechender Schmerz durchzuckte meine kaputten Finger, als ich ihn vom Boden hochhievte, sodass ich ihn mit lautem Scheppern gegen das eiserne Gitter fallen ließ. Oben am Koffer waren zwei Zahlenschlösser aus Messing angebracht – die sich nur schwer öffnen ließen, es sei denn, man kannte sich damit aus oder, noch besser, kannte den Zahlencode.
    »Wie wäre es damit?«, meine ich. »Ich klappe einfach den Koffer auf, werfe einen Blick rein, und wenn ich keine Bedenken bezüglich des Inhalts habe, dann wäre ich eventuell bereit, ihn für Sie zurückzubringen.«
    »Nein.« Aufgebracht stampfte sie mit dem Fuß auf. »Der Koffer muss zubleiben.«
    »Ihnen ist wirklich immens wichtig, dass ich nicht weiß, was drinnen ist, hm?«
    »Niemand darf hineinschauen.«
    »Aha.« Ich legte den Kopf schief. »Eine echte Zwickmühle. Und er muss unbedingt zurückgebracht werden?«
    » Merda! Das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«
    »Wunderbar.« Und damit packte ich den anatomisch geformten Kunststoffgriff, streckte den Arm aus und hielt den Koffer über die Balkonbrüstung. Das verdammte Ding war so schwer, dass ich einen Ausfallschritt nach vorne machen musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. »Und nun geben Sie mir mein Buch zurück«, ächzte ich.
    In ihren Augen flackerte schiere Wut auf, aber in ihrem Gesicht sah man Panik aufsteigen. Ihr klappte die Kinnlade herunter, und an ihrem Hals sah man eine Ader pulsieren. Ganz kurz bewegte sie tonlos die Lippen, als schwankte sie, ob sie noch ein paar Schimpfwörter ausstoßen oder einen Befehl herüberschreien sollte, nur um dann ein verzweifeltes Maunzen auszustoßen.
    »Vorsicht«, rief sie mit gequälter Stimme.
    »Geben Sie mir mein Buch zurück, dann passiert nichts.«
    Worauf sie einen Blick auf das Buch in ihrer Hand warf, und ich konnte fast zusehen, welchen Gedankengang ihr Hirn verfolgte. Es dauerte nicht lange, bis sie eine Antwort gefunden hatte, und zu meinem großen Missfallen tat sie es mir nach und hielt das Buch, so wie ich den Koffer, über das dunkle, trübe Kanalwasser. Sie schien hochzufrieden mit ihrem kleinen taktischen Manöver. Was man daran sehen konnte, wie sie die Schultern straffte und sich zufrieden zunickte, als wollte sie sich selbst beweisen, genau das Richtige getan zu haben.
    »Wenn Sie den Koffer fallen lassen, dann lasse ich Ihr Buch fallen. Ich möchte das nicht. Aber wenn Sie mich dazu zwingen, tue ich es.«
    Irgendwie dumm von mir, dass ich daran nicht gedacht hatte.
    »Tja, interessant«, sagte ich zu ihr und gab mir große Mühe, möglichst gelassen zu wirken.
    »Lassen Sie den Koffer nicht fallen.«
    »Dann lassen Sie mein Buch nicht fallen.«
    Ihr Blick wanderte von dem Buch in ihrer Hand zu dem Aktenkoffer am Ende meines zitternden ausgestreckten Arms hin zu der Grimasse auf meinem Gesicht. Meine Finger wurden langsam taub vor Kälte, trotz der Gummihandschuhe und des chirurgischen Klebebands,

Weitere Kostenlose Bücher