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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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sah es aus, als hielte ich ein umfassendes Dossier in Händen mit sämtlichen Informationen bezüglich aller Eventualitäten, mit denen ich konfrontiert werden könnte.
    Entschlossen stopfte ich die Unterlagen zurück in den Umschlag, bückte mich nach dem Koffer, und dann stand ich da, im Wintermantel, den Aktenkoffer in der einen Hand, den Umschlag in der anderen, und sah, so dachte ich, wohl aus wie ein Geschäftsmann auf dem Weg ins Büro. »Passen Sie gut auf mein Buch auf«, sagte ich zu ihr, drehte mich um und öffnete die Fenstertüren zu der leeren Wohnung.
    »Und Sie schauen nicht in den Koffer.«
    »Würde mir nicht mal im Traum einfallen«, rief ich über die Schulter zurück.
    Aber wie sich noch herausstellen sollte, war dies nicht das einzige Mal an diesem Abend, dass ich mich irrte.

Neun
     
    Ich fiel in einen komatösen Schlaf – vorausgesetzt, es ist möglich, im Koma zu liegen und nicht bloß tief und fest zu schlummern, sondern darüber hinaus die lebhaftesten und verstörendsten Träume zu haben, die man sich nur vorstellen kann. Die Horrorvorstellungen, die mich heimsuchten, hatten allesamt mit dem Aktenkoffer zu tun. In manchen meiner Albträume verlegte ich ihn, oder er wurde mir gestohlen. In anderen brachte ich ihn zurück, genau wie von mir verlangt wurde, nur um gleich darauf festgenommen und in ein versifftes italienisches Gefängnis gesteckt zu werden. Aber in den meisten meiner Träume klappte ich den Koffer auf, und jedes Mal, wenn ich den Deckel öffnete, war der Inhalt noch widerlicher als beim letzten Mal: Schlangen und Spinnen; Augäpfel und andere Körperteile; Fotos von Victoria, die der grauenhaftesten Folter ausgesetzt war. Was immer Sie sich ausmalen können, ich habe es gesehen, und als ich schließlich mit einem mitleiderregenden Stöhnen in kaltem Schweiß gebadet aufwachte, taumelte ich ins Badezimmer und wünschte mir nichts sehnlicher, als mein Hirn von diesen abscheulichen Bildern reinwaschen zu können, so wie ich mir mit Mundwasser den klebrigen Belag von den Zähnen spülte.
    Und wie ich so aus meinem Pyjama und unter die Dusche stieg, da fühlte ich mich zu allem Überfluss nicht bloß geschlaucht und mitgenommen – nein, ich hätte vor Scham im Boden versinken können, so genierte ich mich. Denn um ganz ehrlich zu sein, hatte ich, zwischen den Albträumen versteckt, ein, zwei Träume gänzlich anderer Natur gehabt – glühende, erotische Fantasien, wenn Sie es genau wissen wollen. Und da ich ja bekanntermaßen sehr berechenbar bin, wird es Sie wohl nicht weiter verwundern, dass die weibliche Hauptrolle dieser Streifen von keiner anderen als der kurvenreichen Venezianerin mit der eigenartigen Vorliebe für traute Stelldicheins auf fremden Balkonen gespielt wurde. Wollte man sich zu einer populärwissenschaftlichen psychologischen Deutung hinreißen lassen, könnte man womöglich behaupten, ich fühlte mich nur deshalb zu ihr hingezogen, weil Graziella mich derart herumkommandierte. Ich habe mal gehört, Männer fänden es häufig sehr anziehend, eine Frau als Vorgesetzte zu haben, und allem Anschein nach bildete ich da keine Ausnahme. Wobei es sicher auch nicht schadete, dass sie eine Figur hatte, bei der führende Bildretuscheure den Airbrush für alle Zeiten beiseitegelegt hätten, und einen Augenaufschlag, bei dem sie einen mit leicht geöffneten Lippen von unten anschaute, der einem das Gefühl gab, ganz hoch oben an einem Abgrund zu stehen, und den unwiderstehlichen Wunsch in einem weckte, einfach zu springen.
    Das Tröpfeln aus dem Brausekopf reichte gerade zum Waschen, aber ansonsten konnte es nicht viel ausrichten. Weshalb ich mich immer noch sehr unwohl fühlte in meiner Haut, von meinem Hirn ganz zu schweigen, als ich mir ein Handtuch um die Hüfte geschlungen hatte und in die Küche trottete, wo ich einen an den Teekessel gepappten Zettel entdeckte.
    Morgen, Schlafmütze. Bin auf Erkundungsspaziergang. Unterhalten uns nachher.
    Als professioneller Krimiautor brauchte ich nicht lange, um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass nicht etwa zwei mysteriöse Unbekannte Spuren in meiner Wohnung verteilt hatten, sondern Victoria den fraglichen Zettel geschrieben haben musste. An jedem anderen Morgen hätte ich mich mit wohligem Vergnügen in der Sonne meiner geistigen Fähigkeiten und der Wärme des dampfenden Teekessels geaalt, aber statt den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen, flitzte ich den Flur entlang zu Victorias Zimmer und machte mich

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