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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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über diesen Koffer gestolpert, wäre ich längst meinem ersten Impuls gefolgt, hätte das Ding aufgeklappt und nachgesehen, ob irgendwas Schönes drin war, und weil mir genau das strengstens verboten worden war, juckte es mich umso mehr in den Fingern. Einzig und allein der enorme Wert, den mein Malteser Falke für mich hatte, und mein Widerstreben, irgendein unnötiges Risiko einzugehen – ganz gleich, wie klein es auch sein mochte –, das meine Chancen minderte, ihn unversehrt zurückzubekommen, hinderte mich daran. Ach ja, das und Victorias unpassend frühe Rückkehr.
    Missmutig schob ich den Koffer unters Bett und streifte mir die Gummihandschuhe von den Fingern, und als ich in den Flur kam, putzte sie gerade die Schuhe an der Fußmatte ab. Und nachdem sie mich mit einem strahlenden Lächeln bedacht hatte und es nur so aus ihr heraussprudelte, was für einen fabelhaft wunderbaren Tag sie gehabt hatte, während sie den Mantel auszog und darauf bestand, ich müsse ihre Wangen fühlen, damit ich ihr glaubte, wie eisig kalt es draußen sei, da war meine gesunde Portion rechtschaffener Empörung bereits dabei, sich unversehens in Wohlgefallen aufzulösen. Und nachdem sie dann auch noch verkündet hatte, mich zum Abendessen in ein entzückendes kleines Restaurant ausführen zu wollen, das sie unten am Rialtomarkt entdeckt hatte, da hatte ich schon fast vollkommen vergessen, dass ich überhaupt böse auf sie gewesen war.
    Fast.
     
    Wir hatten gerade die Hauptspeise verputzt und warteten auf das Dessert, als mir schließlich der Kragen platzte. Das Restaurant war in einer offenen Halbetage über einer beliebten Bar untergebracht und wartete mit rustikalen Möbeln, gewölbten Backsteindecken, einem wahren Kerzenmeer und drei bogenförmigen Fenstern mit Blick auf den Canal Grande auf. Ein kleiner Laden, in dem sich die Venezianer drängten wie Sardinen in der Büchse und der, wer hätte das gedacht, auch tatsächlich Sardinen servierte – war ja schließlich ein Fischrestaurant. Nicht weit von unserem Tisch entfernt stand eine mit zerkleinertem Eis bedeckte Auslage, auf der sich eine bunte Palette toten Meeresgetiers tummelte: Weichtiere und Krustentiere, Aale und Kraken, Rotbarben mit toten Augen, Rochen mit weit aufgerissenen Mäulern, Haie, nicht größer als ein Kabeljau, und ein hässlicher kleiner Kerl, den ich nicht auf Anhieb identifizieren konnte. Gegenüber, am anderen Ende des Raums, gleich neben der Tür zur geschäftig brummenden Küche, stakste eine Bande bräunlicher Hummer durch das trübe Wasser eines Beckens, die Scheren mit gelben Gummibändern zusammengebunden.
    »Ist das nicht großartig?«, jauchzte Victoria, lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und faltete zufrieden die Hände auf dem Bauch.
    »Auf jeden Fall außergewöhnlich.«
    »In London könntest du hundert Restaurants abklappern und bekämst doch nie so frischen Fisch wie hier.«
    »Mhm.«
    »Und ich liebe den Prosecco.« Womit sie einen großen Schluck aus dem hohen Weinglas trank, wie zur Bekräftigung ihrer sensationellen Enthüllung.
    »War nicht anders zu erwarten.«
    Victoria stutzte kurz, und dann veranstaltete sie etwas ganz Ausgefuchstes mit ihrem Gesicht; sie zog nämlich eine Augenbraue viel weiter nach unten als die andere, sodass beide beinahe eine diagonale Linie bildeten. »Charlie, möchtest du mir vielleicht irgendwas sagen?«
    »Sagen? Ich wüsste nicht, was.«
    »Sicher?«
    »Glaub mir, hätte ich irgendwas zu sagen, dann würde ich es sagen.«
    »Okay.« Und damit beugte sie sich über den Tisch und packte die leere Prosecco-Flasche energisch am Hals, um sie dann einladend zu schütteln. »Sollen wir noch ein bisschen Blubberwasser bestellen?«
    Ich knirschte mit den Zähnen. »Wenn du willst.«
    »Prima.« Sie hob den Finger und rief so den Kellner an unseren Tisch.
    »Denn«, sagte ich zu ihr, »wenn du nichts Besseres vorhast, warum sollten wir dann nicht noch eine Flasche bestellen?«
    »O -kay .« Der Kellner kam, sie zeigte auf das Flaschenetikett und reckte dann optimistisch den Daumen.
    »Ich meine, wichtig ist, was du so vorhast. Wenn du dir einen ansaufen und dann nach Hause gehen und ins Bett plumpsen und schlafen willst wie ein Stein, warum sollte ich dann wohl was dagegen haben?«
    Victoria tupfte sich mit der Serviette den Mund ab und rückte mit erhobenen Händen von mir ab, als sei ich ein Kartenhaus, das sie mühsam aufgebaut hatte und auf keinen Fall zum Einsturz bringen wollte.
    Wohingegen ich finster

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