Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
Vom Netzwerk:
ihre Augen würden ihr folgen. Womöglich könnte ich meinen Glimmstängel sogar wie ein Pendel hin- und herschwingen lassen und Victoria so in eine tiefe Trance versetzen.
    »Willst du auch eine?«, fragte ich.
    »Wie bitte?«
    »Eine Zigarette«, sagte ich und hielt das inkriminierende Beweisstück zwischen Daumen und Zeigefinger in die Höhe.
    »Ach tut mir leid. Ich war gerade meilenweit weg und habe mich gefragt, ob der Kerl mit dem Bart vielleicht irgendwas mit unserer Fassadenkletterin zu tun haben könnte.«
    »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.«
    Sie rückte ein Stückchen von mir ab. »Meinst du wirklich?«
    »Klar.« Ich nahm noch ein Minisandwich und steckte es mir in den Mund.
    »Du klingst, als wärst du dir deiner Sache sehr sicher.«
    »Verbindungsgeflecht«, erklärte ich ihr mit vollem Mund.
    »Wie meinen?«
    Ich schluckte. »Eine meiner Lieblingstheorien. In jedem halbwegs anständigen Kriminalroman sollten sämtliche Figuren miteinander in Verbindung stehen. Gut für die Handlungsstringenz. So erfüllt jede Figur einen bestimmten Zweck.«
    Worauf sie in gespielter Verzweiflung die Augen verdrehte. »Ich fürchte, wir müssen wieder mal diese leidige Fantasie-versus-Wirklichkeit-Geschichte durchkauen.«
    Lächelnd zog ich an meiner Zigarette. »Mal im Ernst. Er muss doch einen guten Grund gehabt haben, uns so lange auf den Fersen zu bleiben – vor allem mit diesem schlimmen Hinkebein.« Ich ließ den Qualm zu den Nasenlöchern herausquellen, wo mir sonst schon nichts Originelles einfiel. »Wirklich interessant wird es erst, wenn er uns gleich zuhause erwartet.«
    »Das nennst du interessant? «
    »Na ja, mir ist der Gedanke gekommen, er könnte uns womöglich nicht daran gehindert haben, in die Gondel zu steigen, weil er ohnehin weiß, wo ich wohne. Und sollte das der Fall sein, dann erhöht das dramatisch die Wahrscheinlichkeit, dass er irgendwas mit Graziella zu tun hat. Könnte sogar sein, dass er uns von meiner Wohnung aus gefolgt ist.«
    »Du klingst erstaunlich gelassen angesichts dieser sich eröffnenden Möglichkeit, muss ich sagen«, erklärte Victoria und unterbrach sich, um an ihrem Spritz zu nippen.
    »Hör zu, hätte der uns ans Leder gewollt, hätte er in der dunklen Gasse die perfekte Gelegenheit dazu gehabt.«
    »Vielleicht wollte er uns bloß Angst machen.«
    »Und, hat es funktioniert?«
    Victoria zog eine Schnute, während sie über die Antwort nachdachte. »Hm, ich weiß nicht, ob ich Angst habe. Eher nicht. Verunsichert trifft es wohl besser. Hätten wir vielleicht mit ihm reden sollen?«
    »Komisch. Das habe ich mich auch schon gefragt.«
    »Und?«
    Ich zuckte die Achseln. »Wer weiß? Wenn es wichtig ist, dann werden wir ihn wohl wiedersehen.«
    »Weil die ganze Sache noch lange nicht ausgestanden ist, oder?«
    »Nicht mal annähernd. Zu viele lose Fäden. Und aus Graziellas Sicht bin ich wohl leider einer davon.«
    »Dann sollten wir vielleicht lieber aus Venedig verschwinden, Charlie. Ein Weilchen woandershin gehen.«
    Ich drehte die Zigarette in meiner Hand und sah zu, wie der Tabak zu Asche verbrannte.
    »Das Problem dabei, Vic, ist, dass ich mein Buch zurückhaben möchte. Und ich wohne sehr gern hier«, fügte ich hinzu, wobei ich graziös Asche auf den Teller schnippte, möglichst weit weg von den Sandwichs.
    »Der Eindruck hat sich mir auch schon aufgedrängt. Aber es ist gut möglich, dass sie dich nicht so einfach vom Haken lässt, Charlie.«
    »Könnte sein.«
    »Und?«
    Ich zwinkerte ihr zu. »Und ich denke, deswegen sollte ich dringend jemanden anrufen.«
     
    Also lieh ich mir Victorias Handy und wählte eine Nummer. Ich kannte sie auswendig. In meinem Adressbüchlein stehen nicht allzu viele Leute. Um ganz ehrlich zu sein, sind es so wenige, dass ich gar kein Adressbüchlein habe. Eigentlich sehe ich mich als recht geselligen Menschen; jemand, der bei einer Dinnerparty nicht gleich unangenehm auffällt und durchaus die eine oder andere gewinnende Anekdote zum Gespräch beisteuern kann. Aber durch meinen selbst gewählten Lebensstil ist es nicht leicht, Freundschaften zu pflegen. Natürlich kenne ich den einen oder anderen Schriftstellerkollegen und habe auch ein paar etwas zwielichtige Bekanntschaften, aber mit denen habe ich eigentlich nicht viel zu tun. Gelegentlich telefoniere ich mit meinen Eltern, öfter mit Victoria und hin und wieder auch mit Pierre.
    Pierre ist für mich Hehler und Mentor in Personalunion. Vor meiner selbst auferlegten

Weitere Kostenlose Bücher