Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
Vom Netzwerk:
in der Nacht von attraktiven Soziopathinnen gestört wurde und die Forderung, reiche adlige Italiener um die Ecke zu bringen, nur eine ferne Erinnerung war. Gegen sechs Uhr morgens gingen die ersten Flüge vom Flughafen Marco Polo, und vom Bahnhof Santa Lucia fuhren Züge nach ganz Europa. Ich könnte jeden nehmen, ich könnte fahren, wohin ich wollte. Egal. Alles wäre besser, als hier zu sein.
    »Und?« Sie schaute mich scharf an und wog ungeduldig die Pistole in der Hand. »Wie hast du dich entschieden?«
    »Ich tu’s«, entgegnete ich mit plötzlicher Hast. »Ich bringe ihn um.«
    » Grande« , erwiderte sie, wobei ihre Miene sich schlagartig aufhellte und ihr Finger vom Abzug glitt. »Das freut mich sehr. Ich wollte dich nicht erschießen.«
    Sie ließ die Waffe sinken und nickte mir zu, fast, als seien wir nun Waffenbrüder und ich hätte mich gerade auf dem Schlachtfeld hervorgetan. Kaum zu glauben, dass ich doch tatsächlich erotische Fantasien diese Frau betreffend gehegt hatte. Labil war eine maßlose Untertreibung. Die war explosiver als der Plastiksprengstoff in dem Aktenkoffer, den sie mir gegeben hatte.
    »Du musst ihn heute noch töten«, erklärte sie mir.
    »Kein Problem. Ich bin Ihr Mann.«
    »Bis neun Uhr heute Abend muss er tot sein. Spätestens.«
    »Prima. Ich bin Spitze im Termineeinhalten. Fragen Sie meine Agentin.«
    »Ich lass dir die Pistole da.«
    »Wunderbar. Wollen Sie mir die nicht gleich geben?«
    Und das Komische war, um ein Haar hätte sie das tatsächlich getan. Man sah förmlich, wie sie sich entspannte und sogar einen Schritt auf mich zu machte, ehe sie es sich noch mal anders überlegte.
    »Nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf, wobei die Perücke so heftig wackelte, dass ihr ein paar Haare im Mundwinkel hängen blieben. »Ich hinterlege sie. Du hast doch einen Briefkasten? Das habe ich gesehen.« Sie hatte natürlich Recht. In die Wand gleich hinter der Haustür waren drei Briefkästen eingelassen. Einer für jede Wohnung. »Wenn ich gehe, lege ich die Pistole da rein. Und das auch«, fügte sie hinzu und klopfte auf den Elektroschocker in ihrer Hosentasche.
    »Und wenn ich ihn doch nicht umbringe?« Sie schaute mich verständnislos an. An diese Möglichkeit hatte sie wohl noch nicht gedacht. »Ich weiß nicht, wo die Pistole herkommt«, erläuterte ich. »Womöglich sind damit schon andere Leute erschossen worden.«
    »Ganz bestimmt nicht.«
    »Das sagen Sie. Was wäre denn, wenn ich es mit bloßen Händen mache?«, fragte ich und tat, als würde ich jemanden erdrosseln. »Oder mit einem Messer?« Diesmal erstach ich pantomimisch mein unsichtbares Gegenüber.
    Sie dachte kurz nach und schob die Zunge seitlich in die Backentasche. »Solange er tot ist, ist mir das egal.«
    »Und wenn er leidet?«
    »Das kümmert mich nicht.«
    Wow. Die Frau war schon ein besonderes Kaliber. Entweder der Graf war wirklich so ein fieser Widerling, wie sie behauptete, oder sie war abgebrühter, als ich gedacht hatte.
    Sie ging zur Tür, aber ich war noch nicht ganz fertig.
    »Eins noch. Wenn das erledigt ist, geben Sie mir dann mein Buch zurück?«
    » Si«, sagte sie knapp. »Wird mir ein Vergnügen sein.«

Einundzwanzig
     
    Vergnügen hin oder her, ich war mir nicht sicher, ob ich ihr das abnehmen sollte, und ich war mir ziemlich sicher, dass ich ihr nicht über den Weg trauen konnte. Rasch warf ich die Bettdecke zurück, schmiss mich in Jeans und T-Shirt, quetschte mich in meine Turnschuhe und hoppelte den Flur entlang. Victoria schlummerte selig, und ihre Bettdecke hob und senkte sich sanft mit ihren Atemzügen. Sie schien in keiner Weise verletzt zu sein. Ganz im Gegenteil, wie es aussah, fühlte sie sich pudelwohl.
    Graziella hatte die Tür zu meiner Wohnung nur angelehnt, und ich hörte ihre Schritte draußen auf der Treppe. Während ich darauf wartete, dass sie verschwand, warf ich einen Blick zum Alarmsensor an der Decke. Keine Spur davon. Wie sich schnell herausstellte, lag die clevere kleine Apparatur auf dem Boden, die Plastikverkleidung war zertreten, die Drähte herausgerissen. Nicht unbedingt die eleganteste Art und Weise, einen Sensor zu deaktivieren, das gebe ich zu, aber trotzdem sehr effektiv.
    Dann hörte ich, wie unten etwas Schweres in einen der Metallbriefkästen geworfen wurde. Rasch schnappte ich mir mein Nylon-Sakko, flog zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinunter und fädelte im Laufen die Arme in die Jackenärmel.
    Als ich schließlich zur Tür

Weitere Kostenlose Bücher