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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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Sturheit war. Ich kapierte es einfach nicht.
    »Aber er ist ein schlechter Mensch«, sagte sie.
    »Was heißt das schon?«
    »Er hat schlimme Dinge getan.«
    »Wie beispielsweise?«
    Langsam ging sie in eine Zimmerecke und drehte sich dann wieder um, die Arme vor der Brust verschränkt, während die Pistole unterhalb ihrer linken Ellbogenbeuge herunterhing. Womöglich war sie sehr langsam in ihrer Reaktion, versuchte ich mir einzureden. Womöglich war sie eine schrecklich schlechte Schützin. Wenn ich schnell war, hätte ich ja vielleicht eine Chance, ihr die Waffe zu entreißen.
    Aber ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, stampfte sie mit dem Fuß auf und schnaubte unwillig wie ein kleines Kind, das gerade dabei war, sich in einen Tobsuchtsanfall hineinzusteigern. Ihr Kunsthaar knisterte wie Plastik.
    »Ich kann dir nicht verraten, was er getan hat«, jammerte sie. »Aber du musst mir glauben.«
    Ihr glauben. Ja klar, gerne. Ich meine, wieso um Himmels willen sollte ich ihr auch nicht vertrauen?
    »Dann gehen Sie doch zur Polizei«, meinte ich. »Reden Sie mit denen. Wenn es stimmt, was Sie sagen, und er wirklich so schlimme Dinge getan hat, dann werden die ihn festnehmen.«
    »Aber das geht nicht.«
    »Und warum nicht?«
    Sie ballte die Hand zur Faust. »Weil er jemand ist. Denen ist es egal, was er getan hat. Die helfen mir nicht.«
    »Und warum sollte ich Ihnen dann helfen?«
    »Viele Leute wollen ihn tot sehen. Mächtige Leute. Wenn du es nicht tust, werden sie sehr wütend auf dich sein.«
    »Was denn für Leute? Ihre Auftraggeber?«
    Sie zog es vor, auf diese Frage nicht zu antworten, und kaute stattdessen lieber auf ihrem Fingerknöchel herum. Sie biss in ihren Finger, als wolle sie das Fleisch von den Knochen reißen.
    »Wenn die Sie nämlich engagiert haben«, fuhr ich fort, »dann sind sie vermutlich eher auf Sie sauer als auf mich. Und wenn dem so ist, dann wüsste ich nicht, warum mich die Gefühlswelt wildfremder Menschen über Gebühr berühren sollte.«
    Durchdringend stierte sie mich an, die Augen fast nur noch weiß, die Nasenlöcher kleine wütende Schlitze, als könne sie mich allein mit schierer Willenkraft in die Knie zwingen. Da ich allerdings keinerlei Anstalten machte nachzugeben, reckte sie trotzig das Kinn und kniff ein Auge zu, dann streckte sie den Arm aus, in der sie die Pistole hielt, und zielte damit genau auf meinen Kopf. »Dann muss ich dich leider doch töten«, sagte sie. »Ich kann nicht anders. Du zwingst mich dazu. Und danach töte ich deine Freundin. Glaub mir, ich tue es.«
    Und sie sah tatsächlich aus, als sei sie imstande, ihre Drohung wahr zu machen. Ich glaubte ohnehin, dass es nicht viel gab, wozu sie nicht imstande wäre. Ihre Hand zitterte nicht mal ansatzweise. In jedem Krimi, den ich bisher geschrieben hatte, zitterte den Frauen, die eine Waffe gegen Michael Faulks richteten, immer die Hand. Aber bei Graziella? Nicht das kleinste Beben.
    »Das ist doch nicht fair«, protestierte ich, was, so muss ich gestehen, ziemlich dürftig war.
    »Aber was soll ich denn machen? Ich kann dich nicht am Leben lassen. Sonst warnst du ihn.«
    »Oh nein.« Ich tat, als verschlösse ich meine Lippen mit einem Reißverschluss. Und außerdem, dachte ich, hatte ihm die Explosion, die ein qualmendes Loch in sein Haus gerissen hatte, sicherlich bereits die Vermutung nahegelegt, er könne womöglich irgendwen ein klitzekleines bisschen verärgert haben.
    »Aber das Risiko kann ich nicht eingehen.« Ihr Gesicht wirkte verkniffen. Wild entschlossen. »Das verstehst du doch, oder?«
    Wobei ich – wenn auch ungern – gestehen muss, dass ich tatsächlich verstand, was sie damit meinte. Zugegeben, sie wirkte leicht durchgeknallt, aber ihre Aussage hatte Hand und Fuß. Wenn ich mich dazu überreden ließ, den Kerl umzulegen, dann wäre die Hemmschwelle sicherlich höher, irgendwem mein Herz auszuschütten. Meine unglückliche Verstrickung in ein Bombenattentat war eine deutlich geringere Motivation für mich, den Mund zu halten. Unter keinen Umständen konnte sie sich darauf verlassen, dass ich tatsächlich die Klappe hielt – es sei denn, sie würde sie mit Gewalt für immer schließen.
    »Warten Sie«, sagte ich zu ihr. »Ich muss kurz darüber nachdenken, was Sie da von mir verlangen.«
    Ich brauchte keine Zeit zum Nachdenken. Ich brauchte Zeit, die Koffer zu packen und mich und Victoria so weit wie möglich von Venedig wegzuschaffen, irgendwohin, wo mein Schönheitsschlaf nicht mitten

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