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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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mein Gepäck, das bereits im Flur wartete. »Wenn’s am schönsten ist, soll man aufhören. Und auch, wenn’s gerade eher unschön ist, wäre das jetzt der perfekte Augenblick zum Abhauen. Es ist dunkel. Wenn wir uns beeilen, sind wir am Bahnhof, ehe es hell wird. Und es wäre gut, wenn wir uns rausschleichen könnten, ohne dass Martin und Antea was merken – ich schulde ihnen noch die Miete von letztem Monat.«
    Victoria lehnte sich auf die Arme gestützt zurück und starrte mich offensichtlich verwirrt an. Gut, es war noch früh am Morgen, aber ich fand das alles sehr einleuchtend.
    »Hopp, hopp«, sagte ich zu ihr und zerrte an der Schublade der Kommode, vor der ich zufällig stand. Sie war vollgestopft mit Victorias Unterwäsche. Vielleicht etwas unpassend, würde ich ausgerechnet die einpacken. Etwas fahrig wirbelte ich herum, bis mein Blick auf ihren Schrank fiel. Da bewegte ich mich bestimmt auf ungefährlichem Terrain. »Ich hole, du faltest«, erklärte ich, während ich gleichzeitig schon eine Hand voll Blusen von den Bügeln riss und achtlos aufs Bett warf.
    » Charlie .«
    »Du legst keinen Wert aufs Falten? Schon okay – ich auch nicht.«
    Ich entdeckte ihren Koffer in einer Zimmerecke. Eilig ließ ich den Deckel mit der Schuhspitze aufklappen und die Blusen hineinfallen, dann drehte ich mich um und holte die nächste Ladung heraus.
    »Charlie, hör auf. Bitte.«
    Mitten in der Bewegung hielt ich inne, die Hand schon im Schrank, und drehte mich zu ihr um. »Gibt’s ein Problem?«
    »Ja, es gibt verdammt noch mal ein Problem. Was machst du da? Wir können doch nicht einfach so abhauen.«
    Oje. Das hatte ich schon befürchtet. »Das mit der Miete war bloß ein Witz«, versicherte ich ihr. »Ich stecke das Geld einfach in einen Umschlag und lege ihn auf die Anrichte, okay?«
    »Nein, das ist nicht okay. Aber das ist nicht das Problem.«
    Nun gab es immer wieder Momente in meinem Leben, in denen mir schwante, das Allerschlimmste, was ich tun könnte, wäre es, das gegenwärtige Gespräch fortzusetzen – weil die Konsequenzen, wenn ich die betreffende Unterhaltung nicht sofort im Keim erstickte, äußerst unerfreulich wären. Und diese Situation war ein Paradebeispiel dafür. Doch auch wenn ich die Warnsignale eindeutig erkannte, schien ich unfähig, das immergleiche Muster zu durchbrechen.
    »Vielleicht unterhalten wir uns darüber lieber auf dem Weg zum Bahnhof?«, schlug ich vor. »Oder noch besser, wir unterhalten uns, wenn wir im Zug sitzen. Ich dachte da an die Schweiz. Dort dürfte man doch einigermaßen sicher sein, oder? Die Schweiz stelle ich mir immer wie einen ruhigen, sicheren Hafen vor. So still und friedlich. Ich wette, da komme ich gut zum Schreiben. Ich suche mir ein hübsches Plätzchen an einem See. Um ehrlich zu sein, vermute ich ...«
    »Hältst du jetzt bitte die Klappe?« Victoria funkelte mich wütend an. »Wir können hier nicht so einfach verschwinden.«
    »Natürlich können wir das. Ich wüsste beim besten Willen nicht, warum wir hierbleiben sollten.«
    »Tja, dann setz dich«, sagte sie, »und ich nenne dir ein paar gute Gründe. Ich wüsste da so einige. Ich kann die Liste gern mit dir durchgehen.«

Dreiundzwanzig
     
    Victoria liebt Listen. Ich kann leider nicht behaupten, dass ich besonders geordnet denke – ein ziemliches Handicap für einen Mann, der hauptberuflich Kriminalromane schreibt –, aber Victoria ist das genaue Gegenteil von mir. Wäre mein Hirn ein Büro, es wäre so eine vollgestopfte, unordentliche Rumpelkammer mit wackeligen Papierstapeln und einem unter Gerümpel vergrabenen Schreibtisch. Im Gegensatz dazu stellte ich mir Victorias Gehirn wie eine makellos saubere Glaskapsel vor, in der es dezent nach Politur roch, mit elegantem Rechner und anderem technischem Schnickschnack, Reihen wohlsortierter Aktenschränke und womöglich einem Whiteboard mit einer klar strukturierten Aufstellung aller zu erledigenden Dinge.
    Manchmal glaube ich, mehr als alles andere im Leben genießt sie es, mich mit der Nase auf die Dinge zu stoßen, die ich übersehen habe (oder lieber nicht wahrhaben will). Weshalb ich ihr auch anzumerken glaubte, dass sie, trotz des Ernstes unserer Lage, der unchristlichen Uhrzeit und meines eklatanten Mangels an Geduld, zufrieden wie eine Katze mit sich war.
    »Verrate mir doch mal«, setzte sie an, wie ein Anwalt, der vor Gericht gerade ein wichtiges Kreuzverhör einleitete, »was deiner Meinung nach passieren wird, wenn wir hier einfach

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