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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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auf das Panorama ringsum. »Überall da draußen. Aber du nicht, Charlie. Du kannst mir von hier nicht mehr folgen, weil ich das nicht will. Und darum sage ich jetzt auch Adieu.« Sie hob die Hand an die Lippen und warf mir einen zarten Kuss zu. »Das reicht jetzt, nicht? Du bist kein Kletterer, glaube ich.«
    Und damit richtete sie sich auf und suchte an der überstehenden Kante des konischen Dachs nach Halt. Sie beugte ihr rechtes Knie und stieß sich von der Mauer ab, wobei sie vor Anstrengung aufstöhnte, und ich sah zu, wie ihre Turnschuhe über dem dunklen Abgrund darunter baumelten.
    »Warte!«
    Mein Ruf wurde gefolgt von einem schabenden Kratzgeräusch, und dann hörte ich Graziella ächzen, als ein Dachziegel herunterrutschte und ihr linker Arm plötzlich frei über meinem Kopf hing. Mit dem Fuß versuchte sie verzweifelt sich abzustützen, und für einen Augenblick war ich fest davon überzeugt, sie würde abstürzen. Doch noch ehe ich etwas tun konnte, hatte sie sich wieder gefangen, atmete schwer und keuchte, und dann war sie auch schon aus meinem Blickfeld verschwunden.
    Sekunden später erschien ihr Gesicht wieder, kopfüber in einer der gewölbten Fensteröffnungen, sodass die roten Haare fast bis zu dem steinernen Sims herunterbaumelten. Allein vom Zusehen fingen meine Hände an zu schwitzen.
    »Ja? Was ist denn noch?«, fragte sie, als sei überhaupt nichts Ungewöhnliches passiert.
    »Polizei«, brummte ich verdrießlich. »Ich habe sie im Palazzo gesehen. Wie soll ich denn Borelli umbringen, wenn es da von Polizisten wimmelt?«
    »Bis dahin sind die weg«, entgegnete sie schlicht.
    »Weg? Das glaube ich kaum.«
    »Er hat ihnen gesagt, dass sie gehen sollen. Und das machen sie auch.«
    »Der Graf hat ihnen das gesagt?«
    Sie nickte und verdrehte die Augen, um ihrer Ungeduld Ausdruck zu verleihen; ein etwas irritierender Effekt, da sie kopfüber im Fenster hing.
    »Und er ist ganz bestimmt noch dort?«, fragte ich. »Er ist nicht beispielsweise in ein Hotel umgezogen?«
    »Keine Sorge.« Sie zwinkerte mir zu. »Er ist noch da. Und jetzt gehe ich, ja?«
    Womit ihr Gesicht hinter der Dachkante verschwand. Ich stand da und lauschte auf das Knirschen und Schaben der Dachziegel unter ihren Füßen, während sie in die Nacht verschwand und mich mit der Frage zurückließ, warum ich sie nicht einfach, als ich die Gelegenheit dazu gehabt hatte, am Fuß gepackt und diesem ganzen dummen Schlamassel ein Ende bereitet hatte, solange es noch ging.

Zweiundzwanzig
     
    Victoria schlief noch, als ich mich wieder in die Wohnung schlich. Ich ließ sie noch ein bisschen schlummern, derweil ich meine zerrissene Jacke in den Mülleimer warf und meine Siebensachen zusammenpackte. Eine Viertelstunde später waren Koffer und Reisetasche zum Bersten vollgestopft, und ich schleppte sie mühsam den Flur entlang zur Tür, ehe ich schließlich zu Victoria ging, um sie zu wecken.
    Der Versuch, sie aufzuwecken, indem ich vor der geschlossenen Tür stehend nach ihr rief, blieb erfolglos, ebenso wie ins Zimmer zu gehen und die Nachttischlampe anzuknipsen. Kein Wunder, dass Graziella einfach so hineinschleichen und ihr eine Haarsträhne abschneiden konnte. Sie schlief so fest, dass ich mich schon fragte, ob Martin ihr womöglich auch ein Beruhigungsmittel verabreicht hatte.
    Zögernd streckte ich die Hand nach ihr aus und tippte ihr vorsichtig oben auf den Kopf. Nichts. Die Augen blieben fest geschlossen, ihr Gesicht war von mir abgewandt, und der Mund stand leicht offen. Wieder tippte ich sie an. Noch immer keine Reaktion. Sie trug ein knappes Unterhemdchen, und ihre nackten Schultern lugten unter der Bettdecke hervor. Behutsam legte ich eine Hand auf ihre sommersprossige Haut, um sie sanft zu schütteln, doch in dem Augenblick schoss sie unvermittelt hoch, wirbelte herum und erschreckte mich mit einem Urschrei fast zu Tode, während gleichzeitig etwas vor meinem Gesicht zischte und funkte.
    Ich spürte einen Luftzug an meinem Ohr, gefolgt von einem dumpfen Aufprall und dem Geräusch zersplitternden Holzes. Ich drehte mich auf dem Absatz um und sah zwei Metallpfeile, die sich tief in der Rückseite der Tür gebohrt hatten. Die spiralförmig gedrehten Drähte, an denen sie hingen, leuchteten in einem beunruhigend grellen Orange, aber das war gar nichts, verglichen mit der zu allem entschlossenen Grimasse, die Victoria machte, während sie den Taser fest mit beiden Händen umklammert hielt.
    »Heiliges Kanonenrohr«, stammelte ich

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