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Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Titel: Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Luttmer
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kann nicht die Rede sein.« Ihre klare, tiefe Stimme passte nicht recht zu ihrem mädchenhaften Aussehen. »Aber doch. Möchten Sie es wirklich hören?«
    »Bitte.«
    »Es ist nicht schön.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    »Setzen wir uns.« Sie wies auf das Bett. »Minh hat erwähnt, dass Sie den Mörder dieser Toten vom Tempel suchen.« Ihre höfliche Wortwahl irritierte Ly. Es war nicht das, was man von einer Prostituierten erwartete. Er hieltihr die Vinataba- Schachtel mit zwei Händen entgegen, um ihr zu signalisieren, dass er ihr Respekt entgegenbrachte. Er gab ihr Feuer und zündete sich selbst auch eine Zigarette an. Sie blies Rauchringe aus und sah ihnen einen Moment hinterher, dann begann sie zu erzählen.
    »Es war drei Tage vor meinem 13. Geburtstag. Wir lebten in einem Dorf in Hung Yen. Da gab es Plantagen mit nichts als Longan-Bäumen. Die Mutter meiner besten Freundin nannte ich Tantchen. Sie war unsere Nachbarin. Ich fühlte mich dort zu Hause, geborgen.« Sie lachte bitter auf. »Tantchen bat mich, sie nach Hanoi zu begleiten. Ich sollte ihr bei den Einkäufen helfen. Sie versprach mir ein Geburtstagsgeschenk, einen neuen Rock. Wir nahmen den Bus und fuhren die 80 Kilometer in die Stadt. Und wir kauften einen Rock. Sie brachte mich in ein Hotel. Ich musste den Rock anziehen. Er war weit und rot.«
    Sie schwieg und kaute auf ihren Nägeln. Diese Frau, die eben noch den Eindruck einer selbstbewussten Person gemacht hatte, saß jetzt da, auf der Kante ihres rosa bezogenen Bettes, winzig und in sich zusammengesunken, und sah zu, wie die Rauchringe sich in nichts auflösten. Als sie weitersprach, war ihre Stimme schwerfällig und sehr leise.
    »Tantchen sagte, ich würde meine Jungfräulichkeit verlieren. Ich solle meinen Eltern keine Schande machen, ich solle ein braves Mädchen sein. Ich solle das tun, was sie mir sagt. Ich wusste nicht einmal, was Jungfräulichkeit war. Sie sagte: Die verlierst du sowieso. Dann tue es lieber jetzt, wo du damit Geld verdienen kannst, und nicht später mit irgendeinem Bastard von Freund. Das ist Verschwendung.Dann hat sie mich eingeschlossen und ist mit diesem Kerl zurückgekommen.«
    Phuong hielt inne. Fünf Minuten, zehn Minuten. Ly konnte keine Regung auf ihrem Gesicht ausmachen. Sie saß einfach nur da, bis sie irgendwann weitersprach. »Danach gab mir Tantchen die ›Pille danach‹. Sie sagte, ich dürfe mit niemandem darüber sprechen. Aber ich habe es meiner Mutter erzählt. Sie hat die ganze Nacht geweint und mich im Arm gewiegt wie ein Baby. Meinem Vater liefen die Tränen. Meine Mutter hatte es ihm auch gesagt. Meine Eltern haben Anzeige erstattet. Und wissen Sie, was dann passiert ist? Dieser Mann, ein reicher Geschäftsmann, hat meinen Eltern Geld angeboten.« In Phuongs Stimme schwang jetzt ein aggressiver Unterton mit. »10 000 Dollar, wenn sie die Anklage zurückziehen würden.«
    Mit einem Schnarren kam der Ventilator zum Stehen. Stromausfall. Es wurde sofort unerträglich heiß in dem kleinen Raum. Ly fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. 10 000 Dollar waren viel Geld. Aber wie konnte man sein Kind so verraten? Er fragte Phuong nicht, was danach geschah und wieso sie heute als Prostituierte arbeitete. Es reichte ihm, sich ihr zerstörtes Leben vorzustellen.
    »Eine Jungfrau zu vergewaltigen bringt Glück. Wussten Sie das? Dieser Mann, er hatte eine Pechsträhne gehabt. Ich sollte sie beenden. Ich war sein Glück.« Sie fixierte Ly, während sie sich sehr langsam die Bluse aufknöpfte. Sie trug keinen BH. Sie hatte wohlgeformte Brüste und sehr weiße Haut. Über den Brustkorb zogen sich mehrere rote Striemen. Erst kürzlich musste jemand sie mit einemGürtel oder Riemen geschlagen haben. Ly kam sich vor wie einer ihrer Freier. Sie streifte die Bluse über die Arme und drehte sich zur Seite. Sie hatte das gleiche Tattoo wie die Tote. Die Strichführung war etwas verschwommen. Aber es war genau wie bei der Toten das chinesische Glückszeichen über dem Steißbein.
    »Das, das hat mir Tantchen angetan. So sah der Mann gleich, dass ich sein Glück war.« Ihr Körper bebte.
    *
    Was für ein Tag. Ly zog seine Bürotür hinter sich zu und sank erschöpft in einen Sessel. Seine verprügelte Schwester. Dann dieses gequälte Mädchen. Wieder und wieder ging ihm das Gespräch mit der Prostituierten durch den Kopf. Er musste das Sittendezernat in die Mordermittlung einschalten. Aber wie konnte er mit Ngoc zusammenarbeiten? Ly rauchte eine Vinataba nach der

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