Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi
er wollte weg von diesem Sampan.
»Warum machen Sie es uns so schwer?«, flüsterte Ly mehr zu sich selbst, als dass er die Frage an den Schiffer richtete. Er wandte sich zum Gehen, drehte sich jedoch noch einmal um und sagte: »Der Tote ist keine dreißig Jahre alt geworden. Man hat ihm Hände und Füße gefesselt, ihn in einen Sack gestopft und ins Wasser gestoßen. Lebend. Aus dem Sack konnte er sich befreien. Und fast hätte er es geschafft. Doch dann haben ihn seine Kräfte verlassen, und er ist ertrunken. Krebse haben ihm das Gesicht zerfressen.«
Ly ging grußlos.
*
Ly wollte es noch bei anderen Sampanschiffern versuchen, vielleicht hatte einer von ihnen etwas zu sagen.
»Vergiss es«, sagte Xuan. »Phan Duy Huy ist ihr Anführer. Wenn er nichts sagt, sind die anderen stumm wie Muscheln.«
Ly hatte mit einem Mal das Gefühl, dass Xuan die Sampanschiffer besser kannte, als er zugeben wollte.
*
Ly hätte gerne noch geduscht, aber er wollte Nguyen Kim Thanh nicht warten lassen. Er musste das Gespräch hinter sich bringen. Als er auf den Parkplatz des VinPearl einbog, verstaute Thanh gerade ihren Helm unter demSitz eines silberfarbenen Honda Wave. Sie trug einen schmal geschnittenen roten Overall mit tiefem V-Ausschnitt. Als sie ihn sah, winkte sie ihm lächelnd zu. Verdammt, lass dich nicht um den Finger wickeln, sagte Ly zu sich selbst. Sie hat dich angelogen. Sie hat kein Alibi für die Mordnacht, und du musst sie zur Rede stellen. Er grüßte förmlich, ohne sie dabei direkt anzusehen.
Das VinPearl war im Stil eines traditionellen Hauses der Thai-Minderheit gebaut: ein zu allen Seiten hin offener Holzbau auf hohen Pfählen. Ly ging, die Hände in den Hosentaschen, hinter Thanh die Treppe hinauf. Im Gastraum sah er sich um und stellte erleichtert fest, dass er keine der vielen Freundinnen seiner Frau entdeckte und auch sonst keine Bekannten.
Sie setzten sich an einen Tisch mit Seeblick. Am Ufer schwankten Tretboote in Schwanenform. Der Tay-Ho-Tempel lag nur wenige hundert Meter entfernt, war aber hinter Bäumen versteckt.
Ly öffnete zwei Bierflaschen, die schon auf dem Tisch standen, schenkte das Bier in Gläser und ließ Eis bringen. Sie saßen schweigend da, während sie ihr Bier tranken. Ly wich Thanhs Blick weiterhin aus und war froh, als endlich die Bedienung kam, um die Bestellung aufzunehmen.
Im VinPearl gab es eine Speisekarte, doch daran hielt sich niemand. Die Kellnerin ging die lange Liste der Spezialitäten des Tages durch, die sie alle im Kopf hatte. Ly überließ Nguyen Kim Thanh die Wahl.
Als die Kellnerin gegangen war, begann Ly schließlich das Gespräch. »Warum wollten Sie mich treffen?«
»Kommissar. Ich …« Jetzt war sie es, die wegsah. Sieschaute auf ihre Finger, die sehr grazil waren. »Ich möchte ehrlich mit Ihnen sein … In der besagten Nacht stand mein Wagen nicht in der Garage.«
»Das weiß ich bereits.«
»Natürlich, Sie haben das überprüft.« Sie seufzte leise. »Ich hatte vor, den Parkwächter zu bitten, mir ein Alibi zu geben.«
»Warum haben Sie es nicht getan?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Wo also waren Sie?«
»In Mong Cai, oben an der chinesischen Grenze. Ich musste etwas abholen. Motorenteile, Ersatzteile. Hehlerware.«
»Und. Gibt es Zeugen?«
»Sie haben gesagt, dass meine Geschäfte Sie nicht interessieren.« Für einen Moment war jede Zärtlichkeit aus ihren Zügen gewichen. Ein scharfer Unterton klang mit, der Ly einen Stich versetzte. »Wieso haben Sie mich angelogen?«
»Sie sind Polizist.«
»Das bin ich auch heute Abend.«
»Ja, das sind Sie wohl.« Bedauern lag in ihrer Stimme. »Sie wissen nicht, wie das ist. Ihre Kollegen drehen einem schnell einen Strick aus nebensächlichen Dingen. Aber ich weiß jetzt, dass ich Ihnen vertrauen kann.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
Verwirrung lag in ihren Augen. Doch dann lächelte sie und sagte ganz ruhig: »Weibliche Intuition.« Sie reichte ihm einen Zettel mit der Adresse ihres Kontaktmanns in Mong Cai, der ihr Alibi bestätigen könnte. »Machen Sie ihm bitte keine unnötigen Schwierigkeiten«, bat sie. Lynickte. Sollte sich herausstellen, dass ihre Hehlerei relevant war, könnte er diesen Punkt später noch einmal aufgreifen. Andernfalls würde er es ihr und diesem Zeugen ersparen.
Zuerst wurde der Catfish serviert. »Er sieht gut aus«, sagte Thanh und drehte die Gasflamme unter der Pfanne kleiner. Mit den Stäbchen legte sie ein Stück Fisch auf das Reispapier, das flach auf
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