Schwarze Schilde
anzuführen?«
Der König schüttelte den Kopf. »Ihr werdet den Oberbefehl haben, aber ich möchte meine Armee im Kriegszustand erleben. Wir haben zu lange in Frieden gelebt, wie uns dieser unglückselige Zwischenfall in Floria beweist. Es wird bestimmt keine harte Schlacht geben, aber der Marsch wird schwierig, nass und schlammig sein, und es kann nicht schaden, unsere Schwächen aufzudecken. Priester Geb wies klugerweise daraufhin, wie viel schlimmer es hätte kommen können. Hier ergibt sich eine gute Gelegenheit, sich im Manöver zu erproben, ohne die benachbarten Könige aufzuregen.«
»Es wird ausgeführt, wie Ihr befehlt, Hoheit«, antwortete der General.
»Ach, General Krasha«, sagte der König.
»Hoheit?«
»Ich werde genauestens auf Unfähigkeit und Unehrlichkeit achten. Offiziere, die ohne Soldaten eintreffen, die auf den Soldlisten stehen, werden strengstens bestraft. Ich kenne alle Schliche. Für jeden abwesenden Mann möchte ich ärztliche Atteste oder Urlaubsscheine sehen.«
»Sehr wohl, Hoheit«, sagte der General mit grimmiger Miene.
»Jeder Kommandeur, der sich plötzlich zu krank fühlt, um dem königlichen Befehl nachzukommen, wird von einem meiner Ärzte aufgesucht, der die Krankheit bestätigen muss. Und jeder dieser Ärzte wird von einem Henker begleitet.«
»Zu Befehl, Hoheit.« Krashas Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Pashir entließ den Rat und die Höflinge. Allein betrat er seinen Lieblingsgarten. Er machte sich Sorgen und schritt grübelnd umher. Pashir befürchtete, dass die Invasion der Inseln mehr als nur ein vorübergehender Zwischenfall war. Ein junger, kraftvoller Eroberer mit begeisterten Kriegern hinter sich durfte niemals unterschätzt werden. Natürlich ging er nicht davon aus, dass seine Truppen von diesem Emporkömmling besiegt werden konnten, aber ganz sicher würde der Kampf nicht einfach sein. Außerdem ahnte er, dass die Vorkommnisse den benachbarten Herrschern die Schwächen seines Reiches enthüllten. Der kleine Erfolg eines Barbaren konnte die Rivalen ermutigen, den langersehnten Zugriff auf nevanisches Gebiet zu wagen.
»Vater?«
Der König wandte sich um. Seine Tochter Shazad stand vor ihm. Sie war sein einziges Kind, und er strahlte vor Freude. Pashir war Wachs in ihren Händen.
»Komm zu mir, Kind.« Sie trat näher, und er legte ihr den Arm um die Schultern. Ein ›Kind‹ war sie nur noch in den Augen des liebenden Vaters. Prinzessin Shazad war Ende Zwanzig und bereits Witwe. Pashir hatte sich immer gescheut, sich eingehend mit den Umständen des Todes seines Schwiegersohnes zu befassen. Sie waren denen des Königstodes zu ähnlich.
»Du machst dir Sorgen, das sehe ich«, meinte Shazad. »Streite es nicht ab. Was ist geschehen? Geht es um den Einfall der Inselleute in Floria?« Ihr Lächeln wirkte so ansteckend, dass Pashir es erwidern musste.
»Stimmt, Tochter, das ist es. Zwar fürchte ich die Barbaren nicht, aber der Zwischenfall zwang mich, mich Tatsachen zu stellen, die ich zu meiner Schande viel zu lange gewollt übersehen habe.«
Sie legte den Arm um seine immer noch schlanke Mitte. »Erzähle es mir.«
Pashir beschrieb ihr die Ratssitzung bis in die kleinste Einzelheit. Im Gegensatz zu anderen Vätern verschloss er die Augen nicht vor den Unzulänglichkeiten seiner Tochter, schätzte aber auch ihre guten Eigenschaften. Shazad war eine ungezähmte Kreatur und ging ihren sinnlichen Gelüsten ohne jede Scham nach. Dennoch blieb sie dabei diskret. Gleich ihrer Mutter war sie ausgesprochen klug und verfügte über hervorragende Menschenkenntnis. Sie hörte ihm aufmerksam zu und dachte eine Weile nach.
»Du hast recht, Vater«, meinte sie schließlich. »Diesen Inselkönig darf man nicht unterschätzen. Erinnerst du dich an den jungen Hael, der sich jetzt auch König nennt?«
»Natürlich. Erst letzte Woche erhielt ich einen Brief von ihm.«
»Er stammt ebenfalls von der Insel Gale. Es ist lange her, aber ich erinnere mich noch, wie Hael erzählte, er habe sich mit jemandem namens Gasam angelegt und deshalb von der Insel fliehen müssen.«
»Seltsam, dass zwei Männer aus dem gleichen unwichtigen Stamm zu solchen Höhen aufsteigen.«
Shazad spielte mit den goldbestickten Troddeln ihrer Schärpe. Sie trug ihr Reitkleid und eine Jacke, wie an jedem Nachmittag. Bekümmert nahm sie wahr, dass sie zugenommen hatte. Es bedurfte etwas anstrengenderem als eines nachmittäglichen Rittes, um die Folgen ihres genüsslichen Lebens
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